Dieser angehende Arzt ist der beste Spengler in Europa

Der Aargauer Medizinstudent Pascal Gerber holt bei den Berufs-Europameisterschaften die Goldmedaille: als Spengler. Die Geschichte einer beeindruckenden Karriere.

, 4. Oktober 2018 um 06:01
image
  • ausbildung
  • universität bern
  • medizinstudium
  • personelles
Pascal Gerber, 21 Jahre jung, hat den Dreh raus: Rohre, Bleche, Metalle sind seine Elemente. Seit Beginn seiner Spengler-Lehre steht der Aargauer hoch oben auf den Dächern. Am vergangenen Wochenende folgte dann die Krönung seiner Handwerker-Karriere: Gerber gewinnt in Budapest bei den Euro-Skills 2018 souverän die Goldmedaille.
Zurück im Alltag drückt der junge Mann aus Wölflinswil jetzt wieder die Uni-Bank: Pascal Gerber will Arzt werden. «Der Traum des Arztberufes begleitet mich seit meiner Kindheit», sagt er zu Medinside. Er wollte zwar ans Gymnasium gehen, eine Schnupperlehre liess ihn von seinen Plänen aber etwas abbringen – zumindest vorübergehend. Seinen Traum aber behielt er trotz Faszination für die Spenglerei stets im Hinterkopf. Nach der Berufsmatura absolvierte er dann die Passerelle zur normalen Matura. Im vergangenen Jahr schliesslich startete der Aargauer mit dem Studium der Humanmedizin an der Uni Bern. 

Wollte nicht ‹nur› die Schulbank drücken

An der Uni in der Schweizer Hauptstadt dürfte Gerber unter seinen Mitstudierenden mit seinem Werdegang auffallen. «Für mich war es interessanter, zusätzlich noch praktisch arbeiten zu dürfen, als ‹nur› die Schulbank zu drücken». erklärt er. Im Nachhinein sei er sehr stolz und froh, diesen Weg eingeschlagen zu haben – auch wenn er aufwändiger und intensiver war als der klassische Werdegang.
Warum aber gerade Medizin? Den menschlichen Körper zu verstehen, wecke in ihm die grosse Leidenschaft dieses Berufes, so Gerber. «Die Vorstellung, wie all diese Mechanismen, Regelkreise & Systeme zusammen harmonisieren, fasziniert mich.» Und mit diesem Wissen später noch Patienten zu behandeln, verleihe ihm zusätzlich Sinn und Motivation.

«Kein Dach gleicht dem anderen, ähnlich wie bei den Patienten»

Vom Blech und Metall zu Blut und Gewebe. Passt das zusammen? Es gebe zwischen der Medizin und dem Spengler-Handwerk mehr Parallelen als man denke, sagt der junge Medizinstudent der Uni Bern. Spengler auf der Baustelle würden den Schaden suchen und ihn analysieren. Danach werde nach einem individuellen Lösungsansatz gesucht. «Jeder Fall ist anders gelagert, kein Dach gleicht dem anderen, ähnlich wie bei den Patienten.» Zudem verlangten beide Berufe viel handwerkliches Geschick.

image
Pascal Gerber ganz in seinem Element. | Swiss Skills
Mediziner sind gefragt, gute Handwerker aber auch. Ist es da nicht schade, dass der Berufswelt ein Spengler-Talent mit Europameistertitel verloren geht? «Dies ist eine Grundsatzdiskussion die das ganze Handwerksgewerbe betrifft», findet Gerber. Viele junge Leute würden sich von ihrem ursprünglich erlernten handwerklichen Beruf abwenden – mit der Aussicht auf einen «höher gestellten Beruf». Dadurch würden dem Gewerbe leider viele qualifizierte Arbeitskräfte verloren gehen.

Orthopädie oder Plastische Chirurgie?

Pascal Gerber möchte sich aber weiterentwickeln, mehr von der Berufswelt sehen und lernen. Sein Lehrbetrieb war schon beim Unterzeichnen des Lehrvertrages über seine Zukunftspläne informiert. Die Firma René Meyer GmbH in Herznach hatte ihm zufolge Freude an seinem Traum. Sie unterstützte ihren Spengler bei seinem Vorhaben, in dem er nach der Lehre sogar noch die Matura berufsbegleitend absolvieren durfte. Dafür ist er seinem Lehrmeister sehr dankbar, wie er sagt. 
Spengler benötigen nebst körperlicher Beweglichkeit auch eine robuste Gesundheit. Das kann der angehende Mediziner in den nächsten Semestern wohl gut gebrauchen: Denn das Medizinstudium ist ein harter Weg, der Abschluss zum Arzt bringt viele ans Limit. Und sich dann schliesslich für ein Fachgebiet zu entscheiden, fällt bekanntlich nicht immer leicht. Auch Gerber kann sich momentan noch für kein Tätigkeitsfeld entscheiden. «Klar wäre die Orthopädie als Spengler das Naheliegendste», sagt Medizinstudent Gerber. Jede Fachrichtung habe für ihn aber seinen Reiz: zum Beispiel die Plastische Chirurgie, die sich wie die Spenglerei unter anderem auch mit der Ästhetik beschäftige. Zu seinen Favoriten gehören jedoch die Neurochirurgie und die Traumatologie, erklärt der 21-Jährige.

Spenglerei bleibt sein Hobby

Von der Spenglerei wird sich der angehende Arzt und frisch gebackener Europameister aber nicht entfernen: Spenglern sei für ihn längst kein Beruf mehr, sondern eine Leidenschaft, sagt er. Es sei ein Hobby geworden, mit dem er sich – nebst dem Training im vergangenen Jahr für die EM – gerne in seiner Freizeit beschäftige. Zudem möchte Pascal Gerber in den Semesterferien im Sommer auf dem Bau arbeiten. So könne er neben dem Medizinstudium gleichzeitig etwas Geld verdienen.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital Uri: Oliver Tschalèr gibt Chefarztposten ab

Der Chefarzt der Chirurgie verabschiedet sich vom Kantonsspital Uri. Er begründet sein Ausscheiden mit dem Wunsch, sich wieder verstärkt seiner ärztlichen Tätigkeit widmen zu können.

image

FaGe-Lehrstellen: Fast alle konnten besetzt werden

Für FaGe-Lehrlinge gilt es seit dieser Woche ernst, sie haben mit ihrer Ausbildung begonnen. In einer Medinside-Umfrage zeigen sich die befragten Spitäler zufrieden – fast alle Lehrstellen konnten besetzt werden.

image

Neuer Geschäftsführer für die Rehaklinik Tschugg

Michel Franzelli wechselt vom Kantonsspital Aarau in die Reha Tschugg und wird neuer Geschäftsführer.

image

Klinik Gut hat neuen Wirbelsäulen-Chirurgen

Manuel Moser arbeitet neu für die Klinik Gut. Er bietet Sprechstunden in der Praxis in Chur und Operationen in Fläsch an.

image

Bundesgericht weist Beschwerde eines Medizinstudenten ab

Erneut ist ein Rechtsstreit um eine nicht bestandene Prüfung in Humanmedizin bis vor das Bundesgericht gelangt.

image

Hirslanden-Radiologe geht zu den Spitäler Schaffhausen

Der neue Chefarzt des Instituts für Radiologie und Nuklearmedizin am Kantonsspital Schaffhausen heisst Andreas Gutzeit. Er ersetzt Stefan Seidel und tritt seine Stelle im Februar 2024 an.

Vom gleichen Autor

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum Medizinstudierende im Studium ihre Empathie verlieren

Im Laufe eines Studiums nimmt offenbar das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten ab. Dies zeigt eine neue Studie.

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.