Kniearthroskopie: Ein gesundheitspolitischer Schuss ins Knie?

Die Kniegelenk-Spiegelung wird immer stärker angezweifelt. Erfahrungen aus Deutschland deuten nun aber an, dass sich die Methode nicht einfach wegregulieren lässt. Denn was geschah? Jetzt werden mehr Knieprothesen eingebaut.

, 30. November 2017 um 11:17
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Bei Gelenkoperationen stellen Ärzte und Gesundheitspolitiker bekanntlich vermehrt die Sinnfrage. Erst vor wenigen Tagen kam eine Studie heraus, laut der das Engpass-Syndrom der Schulter allzu oft operativ behandelt werde – wo doch Physiotherapie und Schmerzmittel meistens genügen würden. Der Beitrag, erschienen in «The Lancet», wurde von zahlreichen grossen Medien aufgegriffen, auch in der Schweiz (siehe etwa hier).
Schon länger in der Debatte und in der Kritik ist die Kniearthroskopie. Auch hier besagen neue Forschungsergebnisse, dass zurückhaltende Therapien letztlich ebenso gute Resultate erzielen – was auch bedeutet, dass sich hier allerhand Sparpotential auftut.
In der Schweiz, so eine Folge, wird die Vergütung für den Schlüsselloch-Eingriff mit dem neuen Tarmed ab Januar weiter gesenkt.

Fünf Jahre mehr Erfahrung

Bemerkenswert ist im Rahmen dieser Diskussion eine Mitteilung, welche die Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA) und der Berufsverband für Arthroskopie (Bvask) in Deutschland veröffentlicht haben. Dort wird die Kniegelenkspiegelung seit gut einem Jahr nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt.
Die beiden Interessenverbände werteten nun Spital-Statistiken der Jahre 2011 bis 2016 aus. Denn 2011 begann die Debatte, womit sich auch die Zurückhaltung bei den Ärzten verstärkt ausbreitete. Der Grund: Damals stellten die Kassen formell den Antrag auf Ausschluss der Arthroskopie bei Kniearthrose.

Weniger heisst mehr

Im Gefolge sank die Anzahl solcher Eingriffe tatsächlich ab, von 45’000 im Jahr 2011 auf 7’000 im vergangenen Jahr. Aber es zeigte sich eine Gegenbewegung – bei den Knieprothesen. Also bei einem weitaus grösseren, riskanteren und auch teureren Eingriff. Zwar waren auch diese Operationen anfänglich rückläufig, doch seit 2014 steige die Anzahl der Knieprothesen nun wieder jährlich um knapp 10'000 Stück, errechneten AGA und Bvask.
Für die Verbände liegt die Erklärung nahe: Seit die Kassen die Kosten einer Arthroskopie nicht mehr übernehmen, bleibe dem Arzt oft keine andere Wahl mehr, als die letzte Option zu ziehen und ein künstliches Kniegelenk zu implantieren.

«System kommunizierender Röhren»

«Vor dieser Entwicklung haben wir immer gewarnt», sagt Ralf Müller-Rath, Vorsitzender des Berufsverbandes für Arthroskopie: «Im Ergebnis werden unsere Patienten nun vermehrt mit komplikationsträchtigen Eingriffen versorgt und die Gesundheitskosten steigen weiter. Es wurde in ein System kommunizierender Röhren eingegriffen. Die Patienten, die an einer Kniearthrose leiden und eine Behandlung wünschen, werden ja durch einen Beschluss nicht weniger.»
Obendrein würden nun solche Prothesen auch früher eingesetzt. Und so vermutet AGA-Präsident Helmut Lill, dass nun in einigen Jahren, abgesehen von der erwarteten Zunahme aus demografischen Gründen, noch eine höhere Zahl an Prothesenwechseln zu erwarten sei – wegen dieser Verlagerung.
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