Ein neuer Ärztetarif, der kostenneutral ist – das geht nicht: Dies eine Kernaussage des Interviews, das Josef Widler heute im «Tages-Anzeiger» veröffentlicht hat. Der Präsident der
Zürcher Ärztegesellschaft wendet sich darin gegen die inhärenten Vorwurf, dass die Ärzte zu geldgierig seien – sowie hauptschuldig an den Kostensteigerungen im Gesundheitswesen: «Das Ärztebashing muss endlich ein Ende haben.»
Beim Tarmed-Dossier rechnet Widler vor, dass es viel zuwenig Spezialisten gibt, um die Hausärzte und Psychiater «dorthin zu bringen, wo sie hingehörten». Man könne den Spezialisten nicht so viel wegnehmen.
Die Grundversorger mussten in den letzten Jahren einen massiv tieferen Taxpunktwert hinnehmen – die Spezialärzte verdienten indessen zunehmend mehr, insbesondere durch Effizienzsteigerungen. Zwar seien sich die Spezialisten bewusst, «dass sie Fett lassen müssen», so Widler: «Aber es reicht eben nicht. Deshalb sind wir gegen den neuen Tarif aufgestanden.»
Was zum Ausgangspunkt zurückführt, dass die Kostenneutralität zwar eine Bedingung von Alain Berset an den neuen Tarif ist – aber für Widler eben unmöglich.
Unternehmerlohn versus Oberarztlohn
Warum? Genügt der heutige Medianlohn eines Allgemeinmediziners von 200'000 Franken nicht? So dann die Gegenfrage im Interview.
Nein, argumentiert Widler, der im Hauptamt Hausarzt in Zürich-Altstetten ist: Denn dies sei lediglich ein Unternehmerlohn. «Er ist nicht zu vergleichen mit dem Lohn eines angestellten Arztes wie einem Oberarztlohn.»
Und weiter: «Wenn nämlich der selbstständige Arzt ein halbes Jahr krank ist, bekommt er zwar den Lohnausfall durch seine Versicherung bezahlt. Doch wenn er wieder zu arbeiten beginnt, hat er kein Einkommen mehr – weil seine Patienten in der Zwischenzeit den Arzt gewechselt haben.»
Fingerzeig auf Spitalambulatorien
Und so kommt eine weitere, selten offen ausgesprochene Kernfrage der Tarmed-Debatte auf: «Ist es nicht illusorisch, zu glauben, dass die Praxisärzte künftig mehr Geld bekommen werden als heute?» Antwort des AGZ-Präsidenten: «Ich glaube nicht. Man hat heute immerhin schon eingesehen, dass die grosse Steigerung der Kosten nicht bei uns, sondern in den Spitalambulatorien stattfindet.»