Hormonbremse für zu schnelle Läuferin ist rechtens

Weil 99 Prozent der Sportlerinnen einen Testosteronwert unter 3,08 nmol/l haben, darf der Leichtathletik-Weltverband eine Hormon-Obergrenze festlegen. Das Schweizer Bundesgericht hat gegen die Sportlerin Caster Semenya entschieden.

, 31. Juli 2019 um 10:22
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Der Leichtathletik-Weltverband IAAF darf eine neue Regel für den Frauensport anwenden. Diese lautet: Das Blut von Läuferinnen über 400 m bis eine Meile darf einen Testosterongrenzwert von 5 nmol/l nicht überschreiten. Mittelstrecken-Läuferinnen mit einem höheren Wert müssen diesen mit Medikamenten oder einer Operation senken.
Das bedeutet, dass die 28-jährige Südafrikanerin Caster Semenya vorläufig nicht mehr zu Wettkämpfen zugelassen ist. Ihr Testosteronwert liegt über der Limite. Sie wehrte sich vergeblich vor dem Internationalen Sportgerichtshofes TAS in Lausanne gegen die Grenzwerte des Leichtathletik-Verbands. Auch das Schweizer Bundesgericht hat nun entschieden, dass die Hormonbremse-Regel rechtens ist.

Frauen haben bis 3 nmol/l, Männer ab 10 nmol/l Testosteron

Der Leichtathletik-Weltverband stützt seinen Testosterongrenzwerts mit einer Studie. Die Studie ergab unter anderem folgende Resultate:
  • Der Testosteronwert von Frauen liegt normalerweise bei 0,12 bis 1,79 nmol/l.
  • 99 Prozent der Sportlerinnen haben einen Testosteronwert unter 3,08 nmol/l.
  • Bei den Männern beginnen die Normalwerte bei 10,5 nmol/l.
Hat eine Läuferin – wie Caster Semenya – einen Wert zwischen 5 und 10 nmol/l, kann sie laut der Studie 4,4 Prozent mehr Muskelmasse, 26 Prozent mehr Muskelkraft und 7,8 Prozent mehr rote Blutkörperchen bilden.

«Ich will nur so rennen, wie ich geboren wurde»

Einige Wissenschaftler zweifeln diese Ergebnisse allerdings wegen grober Fehler bei den zugrundeliegenden Daten an. Auch Caster Semenya selber hält nichts von solchen Zahlen: «Ich bin eine Frau, und ich bin schnell. Ich will nur so rennen, wie ich geboren wurde», sagt sie. Sie will keine Hormontherapie machen.
Laut der Studie können übrigens nicht nur Mittelstreckenläuferinnen aus einem erhöhtem Testosteronwert klare Vorteile erzielen. Auch bei 400 m Hürden sowie im Hammerwurf und im Stabhochsprung haben Athletinnen mit hohem Testosteronspiegel gemäss den Studienzahlen einen Wettbewerbsvorteil von 1,8 bis 4,5 Prozent gegenüber Konkurrentinnen mit normalem Testosteronspiegel.

Spitzensportlerinnen wollen mehrheitlich eine Testotesteron-Regel

Bei Spitzensportlerinnen kommt die Hormongrenze unterschiedlich an: Die Mehrheit findet, dass es eine Hormon-Regelung brauche, da es bisher nicht genügend definiert sei, wer bei den Frauen starten darf und wer nicht.
Es gibt aber auch Sportlerinnen, die verlangen, dass keine Frau ihren Körper verändern müsse, um an Wettkämpfen für Frauen teilnehmen zu können. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert den Leichtathletik-Weltverband dazu auf, die Regel zu streichen.
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