Gnadenlose Machtspiele zwischen Krankenkassen und Spitälern

Das Spital Walenstadt verlangt zu hohe Preise – die Krankenkasse Helsana setzt dieses auf eine schwarze Liste. Das Problem: Wie sagt die Kasse das ihren Kunden?

, 27. November 2019 um 12:24
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Seit vier Monaten stehen das Spital Walenstadt und fünf weitere St. Galler Spitäler bei der Helsana auf der schwarzen Liste. Der Grund: Die Kasse konnte sich mit den Spitälern nicht über die Tarife einigen. Deshalb hat sie den Vertrag für Privatversicherte gekündigt. Es sei «Ultimo Ratio», also die letzte Möglichkeit, gewesen, betont die Helsana Sprecherin gegenüber Medinside.
Für die betroffenen Privatversicherten bedeutet das: Die Krankenkasse bezahlt keine Zusatzkosten mehr, wenn sie sich in den Spitälern Walenstadt, Altstätten, Grabs, Linth, Wil oder Wattwil auf der Halbprivat- oder der Privatabteilung behandeln lassen möchten.

4000 Franken ungedecktet Zusatzkosten für eine Operation

Das ist neu für Versicherte, die glauben, mit ihrer teuren Zusatzversicherung, die freie Spitalwahl zu haben. Prompt kam es zu einem üblen Streit. Der «Blick» titelte entsprechend entrüstet: «Helsana kündigt klammheimlich den Vertrag mit dem Spital Walenstadt. Als Erstes musste der Vater 4000 Franken auf den Tisch legen».
Offenbar erfuhr der Vater erst zwei Tage vor der geplanten Operation seines Sohnes, dass die Krankenkasse nicht alle Kosten übernimmt – und ärgerte sich darüber, dass er nicht früher davon wusste.

Niemand sieht sich schuldig

Weder das Spital noch die Versicherung wollen schuld daran sein, dass die Versicherten zu wenig informiert sind über die Folgen ihres Machtkampfes . Sie verteidigen beide ihr Vorgehen. Das Spital habe korrekt über die neuen Verhältnisse informiert:  «Wir haben im Sommer 2019 alle Patientinnen und Patienten persönlich angeschrieben, von denen wir wissen, dass Sie bei der Helsana für die halbprivate oder private Abteilung versichert sind. Zusätzlich informieren wir die Patientinnen und Patienten bei der Anmeldung für den Spitalaufenthalt», sagt Andreas Broger, Leiter der Patientenadministration der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland.
Die Helsana ist hingegen überzeugt, dass es richtig war, nicht gleich automatisch alle Versicherten über den Ausschluss der sechs Spitäler zu informieren: «Wir wollen nicht wahllos sämtliche Kunden mit einem generellen Schreiben verunsichern», sagt Helsana-Sprecherin Dragana Glavic-Johansen gegenüber Medinside. Erst dann, wenn ein Gesuch um Kostengutsprache bei der Kasse eintrifft, informiert die Helsana die betroffenen Kunden.

Betroffene können sich Entschädigung zahlen lassen

Die Kunden haben dann drei Möglichkeiten:
  • Sie gehen in ein anderes Spital.
  • Sie lassen sich im selben Spital, jedoch in der allgemeinen Abteilung behandeln und erhalten dafür eine «grosszügige» Entschädigung, dass sie sich mit der geringeren Leistung zufriedengeben.
  • Sie lassen sich auf der halbprivaten oder privaten Abteilung des Spitals behandeln und zahlen den Aufpreis selber.
Im Fall Walenstadt seien diese Optionen beim Versicherten bedauerlicherweise auf kein Gehör gestossen. Obwohl die Versicherung grosszügig Hand für eine unkomplizierte und rasche Lösung geboten habe.

Auch andere Kassen streichen Spitäler, weil sie zu teuer sind

Die Helsana ist nicht die einzige Krankenversicherung, die bei den Halbprivat- und Privat-Zusatzversicherungen Druck auf die Spitäler ausübt und sie auf eine schwarze Liste setzt, wenn die Spitäler an ihren Preisvorstellungen festhalten.
Allerdings geht beispielsweise die Krankenkasse Assura anders als die Helsana vor: Alle Zusatzversicherten, die eine eingeschränkte Spitalwahl haben, erhalten unaufgefordert eine Liste mit den Spitälern, deren Kosten die Versicherung deckt. Sobald die Liste ändert, informiert die Krankenkasse automatisch alle Versicherten. Sie erhalten dann eine neue Liste. Die Versicherten haben zudem nach jeder Änderung 30 Tage lang die Gelegenheit, zur Zusatzversicherung Ultra zu wechseln, welche freien Zugang zu allen Spitälern bietet.

Kassen dürfen Spitäler streichen

Krankenversicherungen dürfen die Bedingungen ihrer Zusatzversicherungen nicht nach Gutdünken ändern. Sie dürfen aber Listen führen von Spitälern, mit denen sie einen Vertrag haben. Und sie dürfen diese Listen auch ändern, wie Sabine Alder, Mediensprecherin des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV gegenüber Medinside erklärte.Wie die Krankenkassen ihre Versicherten über allfällige Änderungen informieren müssen, ist nicht vorgeschrieben. Eine Liste der «erlaubten» oder der «nicht erlaubten» Spitäler haben die Krankenkassen meistens auf ihren Internet-Seiten. Nur: Viele Versicherte denken vor einem Spitaleintritt wohl an anderes, als im Internet nach einer Spitalliste ihrer Zusatzversicherung zu suchen.
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