Ein Globalbudget passt schlecht zum KVG

Die vom Bundesrat vorgestellte Zielvorgabe für das OKP-Wachstum ist schlicht ein Globalbudget für ärztliche Leistungen – also eine planwirtschaftliche Massnahme, die nicht zum KVG passt. Ein Gastbeitrag von Peter Fischer.

, 5. Februar 2018 um 06:00
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Mit Hilfe einer Expertengruppe will Bundesrat Alain Berset den ständig steigenden Gesundheitskosten Einhalt gebieten. Massnahmen stellte er am 29. Januar 2018 an der nationalen Gesundheitskonferenz vor. Dabei erntete insbesondere seitens Ärzteschaft die «Zielvorgabe für das OKP-Wachstum» heftige Kritik. 
Es braucht  nicht viel Wahrsagerei, um vorherzusehen, dass die Bemühungen für die Einführung solch einer Zielvorgabe im Sand verlaufen werden.

Wettbewerb – und dann wieder Planwirtschaft

Reformen für eine Kostendämpfung im Gesundheitswesen hatten und haben es schwer. Und zwar deshalb, weil die Stossrichtungen für Reformen einmal eher aus der wettbewerblichen Ecke kommen und dann wieder von der Steuerungsseite via Staat. 
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    Peter Fischer

    Der 60-jährige Peter Fischer war CEO der Visana-Krankenkasse, Verwaltungsratspräsident der Lindenhof-Gruppe in Bern und bis Ende Juli Direktor im Privatspital Hohmad in Thun.

Beides passt nun aber nicht wirklich zusammen. Es verursacht Fehlanreize und damit Kosten. Die jetzt vorgestellte «Zielvorgabe für das OKP-Wachstum» als Beispiel ist nichts anderes als ein Globalbudget für die ärztlichen Leistungen und somit eine eigentliche planwirtschaftliche Massnahme, welche die im Krankenversicherungsgesetz (KVG) enthaltenen wettbewerblichen Elemente torpedieren würde.

Fallpauschalen führten nicht zu Kostendämpfung

Ein Globalbudget passt schlecht zum KVG. Dieses baut für die Steuerung des Gesundheitswesens im Grundsatz eher auf wettbewerblichen Elementen auf. So haben die vom KVG vorgegebenen Tarife, insbesondere im stationären Bereich mit den Fallpauschalen (DRG), das Ziel, via erhöhte Vergleichbarkeit der Spitäler für eine Intensivierung des Wettbewerbs zu sorgen. 

«Wir haben kein Qualitätsproblem, wir haben ein Kostenproblem.»

Die Folge davon wäre eine Angleichung der Preise beziehungsweise eine Senkung der Kosten. Dies ist bis jetzt noch nicht geschehen. Insbesondere auch, weil die Krankenkassen als Tarifpartner immer noch zu stark auf den Kostennachweis abstellen.
Ein Spital, das hohe Kosten ausweist, hat einen höheren Preis zugute. Der Unterschied zwischen den Spitälern macht fast 40 Prozent aus und ist damit viel zu gross. Würde der Kostendruck für die Spitäler steigen, hätte das zudem zur Folge, dass die Spitäler ihr Angebot konzentrieren und mehr zusammenarbeiten. Dies ist nicht nur kostendämpfender sondern auch qualitätssteigernder.

Teure Auflagen bei der Spitalplanung

Die Kantone überborden zur Zeit unter dem Deckmantel der Qualität mit teuren Auflagen in ihren Spitalplanungen und Spitalsteuerungen und reduzieren damit ebenfalls die wettbewerblichen Elemente im KVG. Dabei haben wir im schweizerischen Gesundheitswesen kein Qualitätsproblem, wir haben ein Kostenproblem.

«…und am Schluss wirken Reformen wieder kostentreibend»

Ein weiterer Schwachpunkt aus der Sicht des Bundes ist, dass er mangels Verfassungskompetenz nur via KVG ins Gesundheitswesen eingreifen kann. Zuständig für das Gesundheitswesen sind die Kantone. Das KVG greift aber zu kurz, da mit den Krankenversicherungsprämien nur gerade etwas mehr als ein Drittel der Kosten des Gesundheitswesens finanziert werden. Im letzten Jahr waren es 30,2 Milliarden Franken – bei einem Gesamtaufwand von 84,1 Milliarden Franken.

Fehlende Kostensenkung alternativer Versicherungsmodelle

Die reine Sicht via KVG führt sogar dazu, dass gesetzgeberische Reformen am Schluss sogar wieder kostentreibend wirken. Die alternativen Versicherungsmodelle haben es mehrheitlich nicht geschafft, einen wirklichen Nachweis tieferer Kosten zu erbringen.

«Eine echte Kostendämpfung ist nur möglich, wenn die Finanzierung über die Schnittstelle ambulant und stationär einheitlich erfolgt.»

Echte Kostendämpfung ist nur möglich, wenn die Finanzierung wie von vielen Experten gefordert über die Schnittstelle ambulant und stationär einheitlich erfolgt. Unterschiedliche Tarife für ambulant und stationär, aber auch unterschiedliche Anteile bei der Spitalfinanzierung, führen zudem zu schlechten Lösungen.
Wenn nun vorgeschrieben werden soll, dass bestimmte Eingriffe künftig nur noch ambulant durchgeführt werde dürfen, entlastet diese Vorgabe die Kantone und belastet die Prämienzahler. Und das nur wegen der unterschiedlichen Finanzierung von stationären beziehungsweise ambulanten Behandlungen.

Gesetzliche Franchise sollte erhöht werden

Zudem muss für echte Kostendämpfung die gesetzliche Franchise von heute 300 Franken um mindestens das Doppelte erhöht oder wie auch schon gefordert, am Obligatorium gerüttelt werden, um der Kaskomentalität seitens Patienten zu entgegnen.
Wenn wegen jedem, medizinischen oder sozialmedizinischem Problemchen der Arzt oder das Spital beziehungsweise der Notfall aufgesucht wird, kostet dies enorm. Eine Erhöhung der gesetzlichen Franchise kann hier Einhalt gebieten.
Für Befürchtungen, dass eine Erhöhung der gesetzlichen Franchise negative Auswirkungen auf die Volksgesundheit hat, sei ein Blick auf die zahnmedizinische Versorgung empfohlen. Die Zahngesundheit in der Schweiz nimmt europäisch eine Spitzenposition ein und dies gänzlich ohne obligatorische Versicherung.
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