Die Idee: Nur ein Ambulatorium für den ganzen Kanton Zürich

Die Spitäler müssten viel enger zusammenarbeiten und ihr ambulantes Angebot radikal umbauen – zumindest bei den Wahleingriffen. Eine konkrete Idee dazu kommt von der CEO der Schulthess Klinik, Andrea Rytz.

, 12. Oktober 2017 um 13:19
image
  • ambulant vor stationär
  • spital
  • gesundheitskosten
Im ambulanten Bereich erarbeiten die Schweizer Akutspitäler Jahr für Jahr einen Verlust. Laut dem Bundesamt für Gesundheit resultierte für 2015 ein Minus von 472 Millionen Franken. Wenn nur die von der Grundversicherung vergüteten Behandlungskosten berücksichtigt werden, beträgt das Defizit sogar 724 Millionen Franken.
Andrea Rytz, CEO der auf orthopädische Eingriffe spezialisierten Schulthess Klinik, ist ebenfalls mit dieser Situation konfrontiert. «Egal wie wir rechnen, liegt unser Kostendeckungsgrad im ambulanten Bereich bei höchstens 85 Prozent», stellt sie nüchtern fest. Für die Liste des Kantons Zürich, die für bestimmte Eingriffe die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich verlangt, hat Rytz dennoch Verständnis: «Die Durchsetzung des Grundsatzes ambulant vor stationär geht in Ordnung, wenn die Verlagerung medizinisch gerechtfertigt ist.» 

Loslösung vom stationären Spitalbetrieb

Auf längere Sicht ist es für die Steuer- und Prämienzahler nicht akzeptabel, wenn der stationäre Bereich den ambulanten quersubventioniert. Andrea Rytz ruft dennoch nicht nach höheren ambulanten Tarifen, sondern sucht nach einer nachhaltigen Lösung. Handlungsbedarf sieht sie vor allem bei den Spitälern selber: «Die ambulanten Behandlungen sind bei weitem noch nicht optimal organisiert. Wir sind zu wenig schnell, es gibt noch zu viele Wartezeiten. Wenn für ambulante Eingriffe gewisse stationäre Infrastrukturen mitgenutzt werden, zum Beispiel Operationssäle, sind Friktionen unvermeidlich.»
Ihre Vision ist eine «ambulante Spur» – die vollständige betriebliche Trennung des ambulanten Bereichs von den stationären Prozessen.
  • image

    Der Autor

    Paul Rhyn, Santésuisse

    Paul Rhyn leitet das Ressort Kommunikation bei Santésuisse. Er ist seit 2006 für den Krankenversicherer-Verband tätig, davor arbeitete er unter anderem vier Jahre lang für das Gesundheitsdepartement des Kantons Aargau.

Und noch eine andere Rechnung hat das Team von Andrea Rytz gemacht: «In der aktuellen Organisation des Spitalbetriebs kommen wir schlicht nicht auf genügend ambulante Fälle, um mit den jetzigen Preisen des Tarmed die Kosten zu decken.» Diese Feststellung lässt aufhorchen. Denn die Schulthess Klinik verfügt durch die Spezialisierung auf die Orthopädie und den hohen Anteil von planbaren Wahleingriffen bereits über eine bessere Ausgangslage als Allgemeinspitäler.

«Der Ort ist nicht wichtig»

Um die betriebliche Seite zu optimieren, schlägt Andrea Rytz deshalb einen visionären Schritt vor: «Ein Operationszentrum für ambulante Wahleingriffe kann den ganzen Kanton Zürich abdecken. Die Chirurgen der einzelnen Spitäler könnten dieses Ambulatorium für die Wahleingriffe ihrer Patienten nutzen.» 
Als Vorteile dieser «ambulanten Spur» sieht Andrea Rytz die bessere Auslastung der Infrastruktur und optimale betriebliche Abläufe durch die Loslösung vom stationären Spitalbetrieb. Auch beim Personal ortet Andrea Rytz Optimierungspotenzial: «Für die Qualität der Eingriffe ist der Operateur und die Infrastruktur entscheidend, der Ort ist nicht wichtig. Beim Operationsteam muss der «Grade-Skill-Mix» stimmen. Bei ambulanten Wahleingriffen braucht es keine hochbezahlten Operationsassistentinnen – gut ausgebildete Fachangestellte Gesundheit sind genauso in der Lage zu assistieren.»

Nächste Stufe: Gemeinsamer Einkauf

Unter dem Eindruck der laufend steigenden Prämien ist Andrea Rytz überzeugt, dass die Leistungserbringer ihren Beitrag zur Kostendämpfung leisten müssen. Viel Potenzial liegt ihrer Meinung nach bei der engeren Zusammenarbeit der Spitäler: «Wenn zum Beispiel beim Einkauf von Implantaten nicht jeder für sich schaut, könnten Millionen eingespart werden.» Um effektiv die Kosten zu senken, hegt Andrea Rytz deshalb auch Sympathien für ambulante Pauschalen: «Wir kennen die genaue Struktur von Tages-DRG-Pauschalen noch nicht, aber mit ambulanten Pauschalen könnten gewisse Fehlanreize korrigiert werden.» 
Rytz' Forderung nach vermehrter Zusammenarbeit der Spitäler lebt die Schulthess Klinik bereits nach. «Wir sind eingebunden in den Gesundheits-Cluster Lengg am Zürichberg, zu dem neben weiteren Institutionen das Kinderspital Zürich, die Universitätsklinik Balgrist und die Klinik Hirslanden gehören.» Ein Synergieprojekt wurde soeben eingeleitet, um die bestmögliche gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen für Versorgung, Lehre und Forschung zu definieren.
Bei der Förderung der Zusammenarbeit erhofft sich Andrea Rytz auch ein vermehrtes Engagement der Gesundheitsdirektionen: «Die Kantone als Spitalplaner können die Akteure zusammenbringen. Sie können auch im ambulanten Bereich Impulse geben und haben aufgrund ihrer Daten die Übersicht ». Überhaupt solle die Rolle der Kantone viel stärker auf das Setzen von Leitplanken ausgerichtet sein.

  • Der Beitrag erschien zuerst in «Infosantésuisse»  |  

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Balgrist-Team behandelt im Spital Männedorf

Das Spital Männedorf hat eine neue Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Das Team kommt vom Balgrist.

image

Solothurner Spitäler: Bericht zu CEO-Lohn bleibt vorerst geheim

Noch ist unklar, ob Zusatzzahlungen an den Ex-Chef der Solothurner Spitäler rechtens waren. Der Bericht dazu ist da - aber nicht öffentlich.

image

Kispi wegen «Riesenfete» kritisiert – doch die Köche arbeiten gratis

Das überschuldete Kinderspital Zürich feiere seinen Neubau mit einem Michelin-Sternkoch, schreibt ein Online-Medium provokativ.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.