Corona-Eklat: Aussage von Weltärztechef lässt Wogen hochgehen

Frank Ulrich Montgomery äusserte Kritik an einem kürzlich in Niedersachsen gefälltem Gerichtsurteil. Er sprach u.a. von «kleinen Richterlein» – die Ärztekammer reagierte nicht erfreut.

, 29. Dezember 2021 um 14:17
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Der Chef des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, macht erneut von sich reden. Er kritisierte ein kürzlich in Niedersachsen gefälltes Gerichtsurteil: Das Gericht hat die 2G-Regel im Einzelhandel des Bundeslandes gekippt. Die Massnahme sei zu weiteren Eindämmungen von Sars-CoV-2 nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, so entschied das Gericht.

Montgomerys verbale Attacke

«Ich stosse mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und – wie gerade in Niedersachsen – 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismässig halten», sagte Montgomery gegenüber der Tageszeitung «Welt». Da masse sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen hätten, mit Verweis auf die Verhältnismässigkeit zu verwerfen. Er sagte weiter: «Da habe ich große Probleme. Es gibt Situationen, in denen es richtig ist, die Freiheitsrechte hinter das Recht auf körperliche Gesundheit – nicht nur der eigenen Person, sondern aller – einzureihen. Und eine solche Situation haben wir.»

So reagierte die Ärztekammer

Wie die Boulevardzeitung «Bild» heute schreibt, hat sich die Bundesärztekammer in einer Mitteilung von Montgomerys Aussagen distanziert. Gemäss der Zeitung steht in dieser Mitteilung, der Weltärztechef sei «nicht legitimiert, einzelne Regelungen der Länderparlamente, des Bundestages oder der Bundesregierung zu kommentieren bzw. das Rechtsstaatsprinzip in Deutschland infrage zu stellen».
Die Ärztekammer sei ausserdem «ausdrücklich gegen eine Herabwürdigung der Arbeit von unabhängigen Richterinnen und Richtern in Deutschland». Montgomery habe auch kein Recht, in der Corona-Debatte für Deutschlands Ärzte zu sprechen.

Das sagte der Weltärztechef dazu

«Meine Kritik war natürlich überspitzt, aber sie kommt deswegen an – wie bei ‹Tyrannei der Ungeimpften›», so Montgomery gegenüber Deutschlandfunk. Zur Erinnerung: Im November sagte Montgomery in der ARD-Sendung «Anne Will»: «Momentan erleben wir ja wirklich eine Tyrannei der Ungeimpften, die über das zwei Drittel der Geimpften bestimmen und uns diese ganzen Massnahmen aufoktroyieren.»

Kassenärztechef und Justizminister kontern

Für die Bundesärztekammer handelt es sich bei den Juristen nicht um «kleine Richterlein», sondern um «hoch qualifizierte Richterinnen und Richter»; ihre Arbeit sei keine «Anmassung», sondern «schützenswertes Fundament der Gewaltenteilung in Deutschland».
Die Bild-Zeitung schreibt, zuvor habe sich schon der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, von den Aussagen Montgomerys distanziert: «Auch wenn dem Einzelnen nicht jede Entscheidung gefallen mag, können wir in Deutschland stolz sein auf eine unabhängige Richterschaft.» Ebenfalls hinter die Richter stellte sich Justizminister Marco Buschmann. Auf Twitter schrieb er: 
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