Top 10: Diese Medizin-Innovationen werden in den nächsten Monaten wichtig

Zelluläre Immuntherapie, selbstauflösende Stents oder HPV-Test-Kits für Zuhause: Die Cleveland Clinic hat zehn Trends festgemacht, welche das Gesundheitswesen 2017 verändern dürften.

, 4. November 2016 um 05:00
image
  • forschung
  • trends
  • innovationen
  • spital
  • medikamente
Die Klinikgruppe Cleveland Clinic gilt als eines der erfolgreichsten und besten amerikanischen Spitalunternehmen (soeben wurde das Stammhaus in Cleveland, Ohio, von «U.S.News» zum zweitbesten Krankenhaus im Land gekürt). Und soeben auch hat die Klinik am «Medical Innovation Summit» in Cleveland eine Top-10-Liste veröffentlicht. 
Die Frage: Welche Innovationen werden im Jahr 2017 besonders bedeutsam für das Gesundheitswesen? Beantwortet wurde die Frage durch einen Poll von insgesamt 100 Ärzten und medizinischen Forschern. 
Diese Experten wählten zehn neue Technologien und Behandlungen, denen sie eine wachsende Bedeutung zumassen – und zwar auf relativ kurze Sicht, nämlich bis Ende nächsten Jahres. 

 

1. Mikrobiom: Krankheiten vorbeugen, behandeln, diagnostizieren

Das Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die an und in unserem Körper leben – vor allem im Darm. Noch steht die Mikrobiom-Forschung am Anfang ihrer Entwicklung. Das könnte sich 2017 laut den Befragten aber rasch ändern. 

 

2. Diabetes-Medikamente: Herzkrankheiten und Todesfälle verringern

Menschen mit Diabetes haben eine doppelt so Wahrscheinlichkeit, an Herzgefäss-Krankheiten oder an Schlaganfällen zu leiden. Aus der Forschung resultieren bereits viel versprechende neue Medikamente wie zum Beispiel Liraglutide (Victoza) von Novo Nordisk oder Empagliflozin (Eli Lilly). Hier eröffnet sich der Klinik zufolge ein grosses Feld an neuen Möglichkeiten. 

 

3. CAR-T-Zelltherapie: Kampf gegen Leukämie und Lymphom

Mit der neuen Krebs­immuntherapie – CAR-T-Therapie (chimäre Antigenrezeptor-T-Zell-Therapie)  – sollen die T-Zellen eines Krebs-Patienten entfernt und genetisch neu programmiert werden, um die fremden Tumorzellen zu suchen und zu zerstören. 2017 könnte es zu einer Welle von Zulassungen in diesem Bereich kommen. 

 

4. Flüssige Biopsien: Krebs schnell und einfach lokalisieren

Neue Methoden ermöglichen es, Tumor-DNA (ctDNA) in Wirbelsäulen-Flüssigkeit, Blut oder sogar Urin aufzuspüren. Diese wenig invasive Technik hilft, Tumore besser zu verstehen und frühzeitig zu identifizieren. Mehrere Unternehmen sind daran, entsprechende Test-Kits zu entwickeln. 

 

5. Intelligente Autos: Tödliche Autounfälle reduzieren

Auch dies eine Entwicklung mit gewaltiger Wirkung fürs Gesundheitswesen: Automatische Sicherheitseinrichtungen und Technologien wie Kameras in Fahrzeugen, Kollisions-Warnsysteme, Geschwindigkeits-Regelungen, Fahrspur-Asistenten oder führerlose Autos könnten helfen, Unfälle zu vermeiden und Todesfälle oder Verletzungen zu reduzieren. 2017 könnte laut den Cleveland-Clinic-Befragten der Anfang vom Ende der Autounfälle sein. 

 

6. E-Health: Bessere und raschere Vernetzung 

«Fast Healthcare Interoperable Resources» (FHIR) unterstützt den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im amerikanischen Gesundheitswesen. Ein Hauptziel: Gesundheitsdaten auch auf mobilen Endgeräten wie Tablet und Smartphone zu verarbeiten und diese dann auf einfache Art und Weise in existierende Systeme einzubinden. 
2017 markiert in den USA das Jahr der digitalen Interoperabilität, wie die Klinik schreibt. 

 

7. Ketamin: Bei behandlungsresistenten Depressionen

Wenn Therapien, Medikamente oder anderes bei Depressionen nicht mehr anschlagen, soll der Wirkstoff Ketamin in der Lage sein, die Symptome innerhalb von 24 Stunden zu verbessern. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat ein entsprechendes verkürztes Entwicklungsverfahren gewährt.
 Ketamin wird üblicherweise für die Anästhesie verwendet. 

 

8. 3D-Visualisierung und AR für Operationen

Bei Eingriffen an den Augen oder am Gehirn ist Millimeterarbeit gefragt. 3D-Kameras und computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung (Augmented Reality) verhelfen zu einer besseren Ansicht der «Arbeitsfläche» – und zu weniger Rücken- und Nackenleiden bei Chirurgen.
Im Jahr 217 sollen Virtual-Reality-Tools die Grenzen der Möglichkeiten testen. 

 

9. Krebs: HPV-Test-Kit für Zuhause 

Ein neuer Test soll das Risiko von humanen Papillomaviren (HPV) in den Zellen eines Vaginalabstriches identifizieren. Das HPV-Test-Kit – insbesondere für Frauen über 30 Jahren – umfasst Reagenzglas, Tupfer und ein frankiertes Rücksendepaket.
2017 soll die bisher grösste Präventionsstrategie gegen Gebärmutterhalskrebs starten.

 

10. Bioabsorbierbare Stents aus Polymer

Metallische Stents öffnen verengte oder blockierte Arterien. Die meisten bleiben dort für immer, was mitunter Komplikationen mit sich bringen kann. Mehr und mehr kommen deshalb winzige «Röhrchen» aus dem Material Polymer zum Einsatz, die sich nach erledigter Arbeit dann selbst auflösen. 

«Cleveland Clinic Unveils Top 10 Medical Innovations Most Likley To Be Game Changers»: Cleveland Clinic, Oktober 2016

Zum Vergleich: Das waren die Top-10-Innovationen des Cleveland-Poll für 2016


Neue Impfstoffe gegen Epidemien
Die Ebola- und (weniger beachtet) Meningitis-Ausbrüche der letzten zwei Jahre haben bewiesen, dass die Gefahr grosser Epidemien bei weitem nicht ausgerottet ist. Die rasche Entwicklung (und klinische Überprüfung) von tauglichen Impfstoffen gegen diese Krankheiten zeigten aber gleichzeitig, dass die Forscher heute hochgradig effizient reagieren können. 
Individualisierte klinische Tests
Prognose: Es werde zunehmend gängig, dass genetische Profile in klinischen Studien eingesetzt und entsprechende Medikamente schneller erprobt werden. Auch Patienten mit seltenen oder terminalen Krankheiten können immer effizienter in klinische Testverfahren integriert werden – und womöglich eine rettende Therapie erlangen.
Genom-Editing mit CRISPR
Laut den befragten Spitzenmedizinern der Cleveland Clinic steckt in der CRISPR-Methode des Eingriffs über bestimmte DNA-Abschnitte enormes Potential – zumal die Kosten der Technologie mittlerweile sehr tief sind. Hier dürften in den nächsten Monaten wichtige klinische Tests anstehen.
Wasser-Reinigungssysteme für den Kampf gegen Infektionskrankheiten
Neue Technologien erlauben es aber zunehmend, einfach und überall Wasser zu reinigen und in Trinkwasser rückzuverwandeln. Hier sichteten die Mediziner der Cleveland Clinic die Chance, dass der Gesundheitszustand der gesamten Weltbevölkerung revolutionär verbessert wird.
Nicht-invasive DNA-Tests bei Föten
Das Aneuploidie-Screening geschieht heute mit Bluttests; doch hier gibt es viele falsch-positive Resultate – welche wiederum invasivere Methoden zur Verifizierung nach sich ziehen. Mehr als 9 von 10 Frauen, denen dies heute droht, können bald schon darauf verzichten. Eine neue Methode der nicht-invasiven Diagnose – auf Basis des Bluts der Mutter – kann (beispielsweise) ein Down- oder ein Edwards-Syndrom präziser vorhersagen als alle herkömmlichen Testverfahren.
Krebs-Tests über Protein-Biomarker-Analyse
Das Problem der Früherkennung von Krebs lag bislang primär in der mangelnden Akkuratesse der entsprechenden Verfahren. Bluttests auf Basis einer neuen Biomarker-Analyse, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen dürften, werden früh und präziser darüber informieren, ob sich im Körper Tumorzellen entwickelt und vermehrt haben. Bei Brust-, Prostata- und Ovarialkrebs sind die Verfahren bereits erfolgreich im Einsatz. Das Spektrum von Krebsformen, die so erfasst werden können, weitet sich weiter aus.
Gehirngesteuerte künstliche Glieder
Die neuronalen Signale, die wir für die Bewegung benötigen, werden mehr und mehr entschlüsselt – und sie können per Computer kopiert werden. Dies erlaubt es, Prothesen zu entwickeln, die sich über Sensoren im Hirn steuern lassen. Innert weniger Jahre entwickelten sich gehirngesteuerte Prothesen von einer Idee zu einer blossen Frage des Zeitpunkts. Für die Ärzte der Cleveland Clinic scheint klar: Der Zeitpunkt ist jetzt.
Medikamente für eine bessere Libido
Eine bemerkenswerte Auswahl: Die Zulassung von Flibasterin gegen sexuelle Lustlosigkeit bei Frauen zählte vor einem Jahr ebenfalls zu den wichtigsten medizinischen Fortschritten für die kommenden Monate.
Fernüberwachung der Patienten
Dieser Trend wiederum scheint in seiner Bedeutung unbestritten: Die Kontrolle der Gesundheitsdaten über Wearables, Apps und andere medizinische Geräte, die aus der Ferne überwacht werden können, dürfte das Gesundheitswesen entschieden umkrempeln.
Neurovaskuläre Stent-Retriever
Auch im Kampf gegen den Schlaganfall zeichnen sich durch die intravenöse Thrombolyse massive Durchbrüche ab. Die medikamentöse Behandlung erweist sich in einer Minderheit der Fälle als hilfreich – gerade wenn besonders kritische Regionen betroffen sind. Neuartige Katheterbehandlungen dürften in den kommenden Jahren zur Routine werden und jährlich zehntausenden Hirnschlag-Patienten weiterhelfen.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Basel: Adullam-Stiftung engagiert Jörg Leuppi

Der CMO des Kantonsspitals Baselland wird Stiftungsrat bei der Organisation für Altersmedizin.

image

USZ macht Verlust von 49 Millionen Franken

Verantwortlich dafür sind unter anderem inflations- und lohnbedingte Kosten. Zudem mussten Betten gesperrt werden.

image

Auch das KSW schreibt tiefrote Zahlen

Hier betrug das Minus im vergangenen Jahr 49,5 Millionen Franken.

image

...und auch das Stadtspital Zürich reiht sich ein

Es verzeichnet einen Verlust von 39 Millionen Franken.

image

Kantonsspital Olten: Neuer Chefarzt Adipositaschirurgie

Urs Pfefferkorn übernimmt gleichzeitig die Führung des Departements Operative Medizin.

image

Schwindel-Medikament könnte bei tödlicher Krankheit helfen

Forschende des Inselspitals und der Uni Bern entdeckten das Potenzial eines altbewährten Medikaments gegen die seltene Niemann-Pick Typ C Krankheit.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.