Brisanter Vorschlag: Ein Tessiner Universitätsspital statt drei Kantonsspitäler

Die Tessiner Konsumentenzeitschrift «Spendere Meglio» bringt explosiven Diskussionsstoff: Sie fordert ein grosses Spital in Bellinzona statt drei kleinen. Wegen der Mindestfallzahlen.

, 20. April 2022 um 11:47
image
  • spital
  • eoc
«Kleine Spitäler sind tödliche Fallen für die Patienten»: So titelt die Tessiner Konsumentenzeitschrift «Spendere Meglio» einen Kommentar in ihrer jüngsten Ausgabe. Verfasst hat ihn Matteo Cheda, Gründer der Zeitschrift und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenorganisation.

Lugano und Locarno verlören ihr Spital

Er will damit eine heikle Diskussion befeuern: Nämlich die Zusammenlegung der drei Kantonsspitäler in Bellinzona, Lugano und Locarno zu einem grossen Spital, welches das Niveau eines Universitätsspitals hätte.
Matteo Cheda beruft sich in seinem Kommentar auf eine nicht ganz unumstrittene Studie über Mindestfallzahlen. Die dort ermittelten «optimalen» Mindestfallzahlen liegen deutlich höher als die Vorgaben der Kantone.

273 Todesfälle mangels Routine?

Entscheidend ist der Schluss, den die Studie zieht: Die mangelnde Routine der Ärzte führt gemäss der Studie in einem Jahr zu 273 zusätzlichen Todesfällen, welche gemäss einer Modellrechnung des Studienautors Daniel Zahnd vermeidbar wären. Medinside hat hier darüber berichtet.
Mit seiner Forderung nach einem grossen Zentrumsspital fürs Tessin trifft Cheda einen günstigen Zeitpunkt. Das Tessin will nämlich sowieso ein neues Kantonsspital bauen, welches das alte in Bellinzona ersetzen soll. Zu diesem Zweck hat der Kanton für 16 Millionen Franken das ehemalige Militärgelände Saleggi zwischen Bellinzona und Giubiasco gekauft.

Giubiasco wäre zentral gelegen

Und das wäre ein idealer Standort für ein Zentrumsspital. Denn Giubiasco ist mit dem Zug von Locarno in 15 Minuten und von Lugano in 12 Minuten erreichbar. Mit dem Bus dauere die Fahrt vom Bahnhof ins Spital von Lugano auch 10 Minuten, rechnet Matteo Cheda vor. «Das sind zwei Minuten mehr, die es erlauben würden, Behandlungsfehler und Tote zu vermeiden», schreibt Cheda weiter.
Und er schliesst mit der sarkastischen Bemerkung: «Aber viele Bürger sind gegen eine Fusion der drei Spitäler. Sie wollen lieber in einem kleinen Spital in ihrer Nachbarschaft sterben, als in einem grossen Spital zu überleben, das ein wenig weiter weg ist.»

Kantonsspital rühmt sich als «Multisite-Spital»

Auch das Kantonsspital selber verteidigt seine Standorte und rühmt sich als «Multisite-Spital». Dessen Stärke liege eben genau darin, dass seine Standorte über den ganzen Kanton verteilt seien. Das Kantonsspital hat neben Bellinzona, Locarno und Lugano auch noch Spitäler in Mendrisio, Faido und Acquarossa, die beiden letzteren haben jedoch keinen 24-Stunden-Notfall.

image
Südlich von Bellinzona (auf der Karte markiert) hat der Kanton auf dem Areal des ehemaligen Militärübungsplatzes Land für ein neues Spital gekauft. | Swisstopo
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Nachhaltig: Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues

HARTMANN erweitert sein Portfolio um die nachhaltigen Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues. Die Tücher werden aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und vereinen hohe Wirksamkeit, Materialverträglichkeit und Hautfreundlichkeit. Dabei werden Plastikabfall sowie CO₂-Emissionen reduziert.

image

Neuer Leistungsauftrag für die Oberwaid

Die Klinik Oberwaid ist neu auch mit muskuloskelettaler Rehabilitation auf der Spitalliste der Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden. So kann die Oberwaid auch in diesem Fachgebiet grundversicherte Patienten behandeln und leistet einen wichtigen Beitrag in der Region.

image

Zurück in die Vergangenheit: Spitäler wollen Geld vom Kanton

An sich sollten die Kantone ihre Spitäler nicht mehr finanzieren. Doch immer häufiger zahlen die Regierungen trotzdem – und verzerren möglicherweise den Wettbewerb.

image

Luzerner Kantonsspital braucht wohl bald Geld

Die Höhenklinik des Spitals machte 180'000 Franken Verlust - pro Monat. Die Kantonsregierung rechnet damit, dass das Kantonsspital Hilfe braucht.

image

Spital Samedan gehört bald zum Kantonsspital Graubünden

Dadurch werden wohl einzelne Stellen neu ausgerichtet oder aufgehoben. Andererseits dürften in den medizinischen Bereichen rund 20 zusätzliche Stellen entstehen.

image

100 Millionen Franken? Danke, nicht nötig.

Der Kanton Graubünden plante einen Rettungsschirm für notleidende Spitäler und Gesundheits-Institutionen. Die Idee kam schlecht an.

Vom gleichen Autor

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.

image

«Hausarzt ist kein Beruf, den man subventionieren muss»

Ein Arzt macht vor, wie eine Berggemeinde zu medizinischer Versorgung kommt. Und er kritisiert Kollegen, die einfach ihre Praxis schliessen.

image

Medikamente: Diese fünf Irrtümer müssen alle kennen

Epinephrin statt Ephedrin? Solche Verwechslungen können tödliche Folgen haben. Gut zu wissen, wo die grössten Gefahren lauern.