Neue Daten: Ambulante Listen bringen nicht überall viel

Trotz «ambulant vor stationär» führten Spitäler gewisse Eingriffe häufiger stationär durch als früher. Dies zeigen aktuelle Zahlen des Versichererverbands Curafutura.

, 29. Juni 2021 um 06:18
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Vor vier Jahren hatte der Kanton Luzern erstmals eine Liste für ambulante Operationen eingeführt. Inzwischen schreiben zehn Kantone Eingriffsgruppen vor, die nur noch in Ausnahmefällen stationär durchgeführt werden dürfen. Seit 2019 regelt auch der Bund eine Reihe von Operationen verbindlich. Das Ziel: Eine effizientere Versorgung – und hauptsächlich Kosten sparen. Berechnungen kommen auf Basis der nationalen Liste auf rund 100 Millionen Franken Einsparungen jährlich.
Die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich präsentiert sich aber nicht überall gleich ausgeprägt. Dies zeigt eine aktuelle Analyse von Curafutura. Die stärkste Verschiebung ist bei den Inguinalhernien-Operationen, Kniearthroskopien, Tonsillotomien und Adenoidektomien sowie Hämorrhoiden-Eingriffen erkennbar. Auch bei der Extrakorporellen Stosswellenlithotripsie stellt Curafutura eine starke Verlagerung zu ambulant fest. Eine Mengenausweitung gab es dabei aber nicht. Der Krankenkassenverband hat Daten von insgesamt knapp drei Millionen Versicherten der grossen Kassen Helsana, CSS und Sanitas analysiert. Der Zeitraum der Analyse umfasste die Jahre 2015 bis 2019.
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Screenshot Bericht zum Monitoring über den Zeitraum 2015 - 2019 (Curafutura)

Die Selektion der «richtigen» Eingriffe

Besonders ins Auge sticht: Bei Eingriffen der kantonalen Listen wie Hand- und Fusschirurgie oder perkutane transluimnale Angioplastik (PTA) nahm der Anteil der ambulanten Durchführung zwischen 2015 und 2019 ab. Anders ausgedrückt: Spitäler führten diese Eingriffe auch nach Einführung solcher Avos-Listen häufiger stationär statt ambulant durch. Für den Versichererverband Curafutura liegt hier die Vermutung nahe, dass die Selektion der «richtigen» Eingriffe massgeblich für den Verlagerungserfolg mitverantwortlich ist.
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Screenshot Bericht zum Monitoring über den Zeitraum 2015 - 2019 (Curafutura)

Grosse Kantone weisen tiefere Ambulantisierung auf

Die Auswertung zeigt weiter, dass der Anteil der ambulanten Durchführung der gelisteten Eingriffe gesamtschweizerisch bereits relativ hoch ist. Dadurch dürfte das Verlagerungspotenzial bei einigen Kantonen vermutlich nahezu ausgeschöpft sein, so der Krankenkassenverband weiter. Auffallend sei darüber hinaus, dass die bevölkerungsreichsten Deutschschweizer Kantone Zürich und Bern nach wie vor eine vergleichsweise tiefe Ambulantisierungsrate aufweisen. Die Zahl misst den prozentualen Anteil der ambulanten Durchführung.
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Screenshot Bericht zum Monitoring über den Zeitraum 2015 - 2019 (Curafutura)

Nationale Avos-Liste als Beschleuniger

Insgesamt ist die Ambulantisierung in der Schweiz gemäss Curafutura «verhaltener» ausgefallen als erwartet. Erst die Einführung der Bundes-Liste mit sechs Eingriffen habe 2019 zu einer Beschleunigung geführt.
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Screenshot Bericht zum Monitoring über den Zeitraum 2015 - 2019 (Curafutura)

Einheitsfinanzierung müsse forciert angestrebt werden

Grund für die eher schleppend voranschreitende Verlagerung seien Fehlanreize. Diese führt der Krankenkassenverband unter anderem auf das unterschiedliche Finanzierungssystem zurück. Insbesondere die Kantone profitieren finanziell von der bisherigen Regelung: So hat die Einführung der 6er-Liste im Einführungsjahr 2019 gemäss Gesundheitsobservatorium zu Einsparungen für die Kantone von rund 35 Millionen Franken geführt. Krankenversicherer mussten hingegen 0.6 Millionen Franken höhere Kosten tragen. 
Aus langfristiger Perspektive stellen für Curafutura ambulante Listen sodann lediglich eine «Symptombekämpfung» dar. Der Verband erachtet es als wichtig, dass die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas) nun «forciert» angestrebt wird. Tatsächlich ist die Efas-Diskussion in letzter Zeit ins Stocken geraten. Vor allem der Einbezug der Pflegefinanzierung bleibt der Zankapfel der beteiligten Akteure: Die Kantone wollen die medizinischen und pflegerischen Leistungen der Pflegeheime und Spitex integrieren. Versicherer, Ärzte, Apotheker und Patientenvertreter hingegen wollen die Pflege erst in einem zweiten Schritt integrieren, um das Vorhaben nicht zu überladen.  
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