Ärzteorganisationen fordern: Hepatitis-Medikament soll Patentschutz verlieren

Eigentlich geht es um die hohen Preise – aber jetzt dreht sich der Kampf um die Frage, ob Sovaldi überhaupt patentierungswürdig ist.

, 29. März 2017 um 07:00
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Sovaldi soll in Europa frei kopiert werden können. Diese Forderung stellten jetzt insgesamt 30 Ärzte- und Patientenorganisationen aus 17 Staaten, an der Spitze «Médecins sans Frontières» und «Médecins du Monde». Man gehe davon aus, dass das Medikament «nicht mit den Patentierungs-Anforderungen übereinstimmt, die durch die Europäische Patent-Vereinbarung von 1973 definiert wurde»: So argumentieren die Organisationen im Antrag ans Europäische Patentamt in München.
Sovaldi ist bekanntlich ein ebenso effizientes wie teures Mittel zur Bekämpfung von Hepatitis C – wobei der Preis zur Folge hat, dass die Staaten und Versicherer oft mit Limitationen arbeiten. Eine Sovaldi-Therapie kostet in der Schweiz knapp 58'000 Franken, im EU-Raum sind die Preise ähnlich hoch.

«Das Wissen ist nicht neu»

Mit der Eingabe in München gerät der Kampf gegen Sovaldi (respektive den Wirkstoff Sofosbuvir) auf eine neue Front. Zuvorderst in den Stellungnahmen der Ärzteorganisationen steht zwar die Forderung, dass jeder Hepatitis-C-Betroffene ein Recht auf Therapie habe. Darum sollen Generika ermöglicht werden. Im Detail aber legen sie ein neues Argument vor – nämlich dass das Patent ohnehin nicht gerechtfertigt sei.
«Die Wissenschaft hinter Sofosbuvir ist nicht neu», sagt Aliénor Devalière von «Médecins sans Frontières».

  • Zur Mitteilung von «Médecins sans Frontières»  |  Zur Mitteilung von «Médecins du monde»  | 

Der Vorwurf ist nicht neu – und er führte sogar schon zu einem Teilerfolg. Im Oktober 2016 entschied das Patentamt, dass Gilead in seinem Patentantrag nicht alle Anforderungen erfülle. Der chemische Prozess, der die Hepatitis-C-Behandlung so wirksam macht, sei älteren Datums. Er war teils schon von Universitätsforschern beschrieben worden, unter anderem von der Universität Cardiff. Gilead beansprucht aber weiterhin das Patent für eine Basiskomponente des Wirkstoffs – und dies wird nun ebenfalls angegriffen.

Auch Angriffe in Indien und Argentinien

Der US-Pharmakonzern Gilead hatte das Medikament von einer kleineren Entwicklungsfirma übernommen und Ende 2013 auf den amerikanischen Markt gebracht. Es wurde die schnellste Lancierung eines neuen Medikamentes in den USA – über 60'000 Hepatitis-Infizierte wurden in den ersten 30 Wochen therapiert. Mit den weitherum als zu hoch empfundenen Preisen einher gingen aber auch Angriffe verschiedenster Art.
NGOs brachten eben erst wieder juristische Vorstösse gegen das Sovaldi/Sofosbuvir-Patent in Indien und Argentinien vor. Das Patentamt in Indien hatte es zuerst verweigert, das Arzneimittel zu schützen. Der Entscheid wurde dann aber von einem höheren Verwaltungsgericht umgestürzt.
Gilead wollte nicht Stellung nehmen zum Vorstoss beim Europäischen Patentamt: Man kommentiere Patentfragen grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit.


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