Die Frau auf dem Plakat ist auf der einen Hälfte schön – auf der anderen Hälfte hat sie einen Ausschlag, der ihr Gesicht völlig entstellt. Die beiden Plakathälften zeigen ein Vorher und ein Nachher. Vorher: «Mein Leben war perfekt…» Und nachher: «…gewesen, bis ich Gürtelrose bekam.»
Firma verkauft Impfstoff
Auf einem anderen Plakat ist es ein Mann – auch er mit entzündeter Haut und blutunterlaufenem Auge. Urheberin der emotionalen Kampagne ist das britische Pharmaunternehmen Glaxo-Smith-Kline (GSK). Es möchte mit den Plakaten der Öffentlichkeit bewusst machen, wie verbreitet Gürtelrose ist.
Gürtelrose treffe jeden Dritten in der Schweiz, schreibt GSK, und: «Schützen Sie sich.» Was nicht steht: Das Unternehmen verkauft den Impfstoff Shingrix gegen Gürtelrose.
Ein Geschäft mit der Angst?
Die Zeitschrift «Gesundheitstipp» kritisiert die Kampagne und schreibt vom «Geschäft mit der Angst». Fachleute kritisieren die Plakate und unterstellen GSK, das Unternehmen wolle vor allem den Verkauf seines Impfstoffs ankurbeln. Dieser ist teuer. Die zwei Dosen, die es für eine Impfung braucht, kosten rund 350 Franken.
Obwohl GSK keine verbotene Werbung für seine Impfung macht, sondern vordergründig tatsächlich nur «aufklärt, um schlimme Verläufe zu verhindern», wie sich das Unternehmen verteidigt, stellt sich die Frage, ob das relativ geringe Risiko für eine schwere Gürtelrose so emotional aufgeladene Plakate rechtfertigt.
Nun klärt Swissmedic ab
Diese Frage stellt sich auch die Arzneimittelbehörde Swissmedic. «Swissmedic wurde von verschiedener Seite auf die Kampagne aufmerksam gemacht. Wir haben ein Verwaltungsmassnahme-Verfahren wegen möglicher Verstösse gegen die Arzneimittel-Werbeverordnung eröffnet», hat Swissmedic Sprecher Lukas Jaggi gegenüber der «NZZ am Sonntag» erklärt.
So wirbt GSK in Österreich.| zvgt
Wie von offizieller Stelle
Im Nachbarland Österreich wirbt GSK zurückhaltender. Dort dient eine Dornenranke als Symbolbild für Gürtelrose. Allerdings ist bei dieser Kampagne ein anderer Umstand stossend: Mit der Ankündigung «Gesundheitswoche Gürtelrose» erweckt die Pharmafirma den Eindruck, dass eine offizielle Stelle aufklärt und nicht ein privates Unternehmen, das mit einer Gürtelrosen-Impfung weltweit hohe Gewinne erzielt.
Auch Novartis «klärt auf»
GSK ist nicht die einzige Pharmafirma, die mit angstmachenden Kampagnen wirbt. Vor zwei Jahren versuchte auch Novartis, mit Bildern von Schuppenflechte «für Aufklärung der Patienten» zu sorgen. Damals kritisierten Fachleute in der Zeitschrift «Saldo» die Werbung.
Die Novartis-Kampagne gegen Schuppenflechte. | zvg
Eine solche Aufklärungs-Kampagne sei nicht nötig. Denn allermeisten Leute mit Psoriasis seien bereits in ärztlicher Behandlung. Sie bräuchten keine Aufforderung via Werbung, um zum Arzt zu gehen. Novartis mache den Menschen Angst vor den Folgen einer Krankheit machen, die in vielen Fällen harmlos sei.
Mehr Patienten, mehr Kosten
Die Werbung bewirke nur, dass auch Patienten mit leichten Symptomen Fachärzte aufsuchten und dass die Verschreibung von Medikamenten angekurbelt werde. Anzumerken ist: Novartis verkauft ein eigenes neues Psoriasis-Medikament, das teurer ist herkömmliche Mittel. Auch Novartis beharrt darauf, dass es sich um eine Aufklärungskampagne handle, die weder direkt noch indirekt Bezug auf Medikamente nehme.
Die Fakten des BAG zur Gürtelrose
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) beschreibt das Gürtelrose-Risiko nüchterner und harmloser als GSK:
Von den Personen, die erst mit 16 Jahren oder älter erkranken, müssen jährlich etwa 50 aufgrund von Komplikationen hospitalisiert werden und bei den über 16-Jährigen sterben etwa 20 pro 100'000 daran.
Jede fünfte Person, welche die Windpocken durchgemacht hatten, erkrankt später einmal im Leben an einer Gürtelrose. Allerding heilt die Krankheit in den meisten Fällen innert weniger Wochen ohne Komplikationen.
Seit kurzem empfiehlt das BAG die Impfung gegen Gürtelrose. Und zwar für gesunde Personen ab 65 Jahren und für Patienten mit Immundefizienz ab 50, mit schwerer Immundefizienz ab 18 Jahren.