Deshalb werben die Spitäler nicht mit ihren Geburtenzahlen

Dieses Jahr berichten viele Geburtsabteilungen auffällig zurückhaltend über ihre Babyzahlen. Diese sind so tief wie schon lange nicht mehr.

, 31. Dezember 2022 um 09:58
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Ungeachtet aller Zahlen: Eine Geburt - hier im Kantonsspital Baden - ist jedes Mal ein Wunder. | zvg/Stefan Wey
«Freude an der Berner Hirslanden-Klinik Salem-Spital», betitelte das Spital seine Mitteilung zu den Geburtenzahlen. 2022 seien im Salem 1029 Babys zur Welt gekommen, schreiben die Verantwortlichen. Rein ökonomisch gesehen ist diese Zahl für Hirslanden allerdings kein Grund zur Freude. Denn was nicht in der Mitteilung steht: Das sind 221 Geburten weniger als im Vorjahr.

Rekordjahr 2021

2021 jubelten das Salem, und mit ihm zahlreiche andere Schweizer Spitäler, dass so viele Kinder zur Welt gekommen seien, wie lange nicht mehr.
Nun schwingt das Pendel in die andere Richtung. Auch das Kantonsspital Baden (KSB) streicht am Anfang seiner Mitteilung nicht mehr wie letztes Jahr die Gesamtzahl der Geburten hervor, sondern beschränkt sich auf einen einzigen Tag, den 22.02.2022.

Ein leicht zu merkender Geburtstag

Dieser Geburtstag lasse sich leicht merken und gleich sechs Mädchen seien an diesem Tag zur Welt gekommen. Was aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass auch das KSB ein Minus von 202 Geburten verzeichnet. Statt wie letztes Jahr 1841 kamen nur noch 1639 Babys in Baden zur Welt.
Das KSB liefert eine Erklärung für die massiven Einbrüche bei den Geburtenzahlen: «Dieser Rückgang bestätigt den Trend, wonach auf intensive Geburtsjahre eine Baisse folgt – und umgekehrt», sagt Leonhard Schäffer, Leiter der KSB-Geburtsabteilung.

Pandemie bescherte Boom

Schuld an der heurigen Tiefzahlen sind nicht etwa die Spitäler, sondern vermutlich die Corona-Pandemie. Und zwar hatte diese letztes Jahr einen überbordenden Geburtenboom zur Folge. Es kamen so viele Babys zur Welt wie seit 50 Jahren nicht mehr, nämlich fast 90'000.
«Vergleicht man die Geburtenzahlen bei grossen Pandemien des 20. und 21. Jahrhunderts, so kristallisiert sich ein Muster heraus», sagt Schäffer. «Nach Ausbruch der Pandemie nehmen die Geburtenzahlen zunächst jeweils ab. Etwa anderthalb bis zwei Jahre nach dem Beginn der Pandemie nehmen sie dann überproportional zu, um sich nach und nach wieder auf dem üblichen Niveau einzupendeln.»

Auch nach Ebola und Zika

Dieses Phänomen zeigte sich nicht nur während Corona, sondern auch bei der Spanischen Grippe (1918-1920) in Europa oder den Ebola- und Zika-Epidemien in Afrika (2015) respektive Brasilien (2016).
Die Schweiz befindet sich nun im «Ausgleichsjahr»: Eine grobe Hochrechnung von Medinside geht von etwa 76'300 Geburten in diesem Jahr aus. Das wäre ein Minus von rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr – oder in Zahlen ausgedrückt 13'300 weniger Babys.

«Geburten-Crash» befürchtet

Bereits im ersten Halbjahr 2022 prophezeiten die Statistiker einen «Geburten-Crash». Die Stadt Zürich verzeichnete damals fast 20 Prozent weniger Babys. Der Baby-Knick gab damals sogar Anlass zu Spekulationen, wonach die Covid-Impfung der Grund dafür sei. Etliche Spezialisten schlossen dies aber aus. Im zweiten Halbjahr haben die Geburten wieder zugenommen.

Der «Pillen-Knick» nach 1964

Den absoluten Babyboom hat die Schweiz 1964 erlebt. Damals kamen 113'000 Kinder zur Welt. Darauf folgte der als «Pillen-Knick» bezeichnete Einbruch der Geburtenzahlen. Auch schon 1920 hatte die Schweiz ein Geburten-Hoch. Nach der Spanischen Grippe kamen 81'200 Kinder auf die Welt. In den darauffolgenden 20 Jahren sanken die Zahlen bis auf 64'100.

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