Deshalb sollte Ekel im Beruf kein Tabu sein

Das Gefühl von Ekel wird oft unterdrückt. Doch es ist nicht unprofessionell, sich zu ekeln. Sondern ganz normal im Mediziner-Alltag.

, 18. Oktober 2023 um 08:22
image
Kann man überhaupt in einem Spital oder in einer Praxis arbeiten, wenn man sich vor gewissen Dingen ekelt? Besonders auf Notfallstationen ist das Personal täglich mit Szenen konfrontiert, die viele als «ekelhaft» empfinden würden: Blut, Eiter, Stuhl, entstellte Körper oder der Anblick von Genitalien.

Notfallmediziner sind resistenter

Eine US-Studie zeigte ein interessantes Resultat: Ärzte in Fachgebieten wie Chirurgie und Notfallmedizin haben eine deutliche geringere Ekelempfindlichkeit als der Rest der Bevölkerung.
Doch offensichtlich ist das nicht eine Folge der Ausbildung oder von Abstumpfung. Denn die geringe Ekelempfindlichkeit hing laut der Studie nicht davon ab, wie viele Fälle von potenziell ekelhaften Anblicken die Ärzte bereits erlebt hatten.

Ekel ist natürlicher Schutz

Die Schlussfolgerung daraus: Gebiete wie Chirurgie und Notfallmedizin, wo es häufig zu Situationen kommt, die Ekel auslösen können, werden vermutlich vor allem von Personen gewählt, die von Natur aus ein geringeres Ekelempfinden haben.
Ekel ist ein natürlicher Schutzinstinkt. Er hilft etwa dabei, sich bei Hinweisen auf Parasiten, Viren oder Bakterien vorsichtig zu verhalten und damit eine Ansteckung zu verhindern. Verstärkt werden kann das Ekelempfinden von Angst, Panik, Phobien, posttraumatische Belastungsstörungen und auch von einer entsprechenden Erziehung.

Ekelgefühle gibt es immer

Im medizinischen Alltag ist Ekel häufig ein Tabu. Eine Studie zeigt, dass viele Angehörige von Gesundheitsberufen Ekelgefühle als unprofessionell empfinden und deshalb das Gefühl unterdrücken. Es kommt auch kaum vor, dass Betroffene offen zugeben, dass sie Ekel empfinden. Das sei eine gefährliche Strategie, besagt eine andere Studie.
Wenn Betroffenen ständig den Kontakt mit Patienten mit Ekelsymptomen zu vermeiden versuchen, erzeugt das bei ihnen Stress, und es beeinträchtigt auch die Behandlung der Patienten. Das Verschweigen von Ekelgefühlen verhindert ausserdem, dass die Betroffenen emotionale Unterstützung und psychologische Hilfe erhalten.
Es gibt nützliche Strategien, die helfen, Ekel zu überwinden:
Ärzte und Pflegekräfte sollen das Gefühl des Ekels mit Kollegen besprechen, statt sich dafür zu schämen.
Ekelgefühle sollten nicht krampfhaft vermieden oder verborgen werden. Sie sollten in Medizinberufen als normal akzeptiert werden.
In besonders schwierigen Fällen kann ein Wechsel des Fachgebiets – etwa weg von der Chirurgie, der Notfallmedizin oder der Palliativmedizin – der richtige Weg sein.
  • ärzte
  • ekel
  • psychologie
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Clinicum Alpinum Liechtenstein: Mitgründer tritt zurück

Marc Risch übergibt das Zepter an Pavel Ptyushkin.

image

Das Ende des Numerus Clausus ist beschlossen

Trotz Widerstand von Bundesrat Guy Parmelin setzt das Parlament auf eine Alternative zum NC für angehende Schweizer Ärzte.

image

VSÄG: Schlagabtausch zwischen abgewählter Präsidentin und Kantonsarzt

Monique Lehky Hagen wurde als Präsidentin der Walliser Ärztegesellschaft abgewählt - und warf dem Kantonsarzt Eric Masserey Manipulation vor. Dieser kontert.

image

Spital Emmental: Neues Führungsteam für das chirurgische Departement

Ab Januar 2025 wird Matthias Schneider Chefarzt der Chirurgie, André Gehrz sein Stellvertreter in Burgdorf. Stephan Vorburger wechselt intern.

image

Clienia-Chefarzt wechselt nach Winterthur

Lars Wöckel arbeitet seit 14 Jahren in Littenheid. Nächstes Jahr wird der Kinder- und Jugendpsychiater Chefarzt der Adoleszentenpsychiatrie in Winterthur.

image

Allcare: Hausarztkette in Zürich ist konkurs

Ärztemangel, galoppierende Lohnforderungen, fehlendes Commitment: dies die Erklärungen für die Notlage.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.