Kristian Schneider, der neue Geschäftsleitungs-Vorsitzende des zweitgrössten Berner Spitals, hat nun dazu Stellung genommen: In einem
Interview mit «20 Minuten» relativierte er den beunruhigenden äusseren Eindruck, der zur Regierungs-Stellungnahme geführt hatte. Von einem Exodus, so Schneider, könne «keine Rede sein, denn die Fluktuationsrate des SZB entspricht in etwa dem Durchschnitt aller Spitäler der Schweiz. Wir haben ein systemisches Problem im Gesundheitswesen.»
Konkreter: Beim aktuellen Stand – Anfang November – beläuft sich die Fluktuationsrate im Spitalzentrum Biel auf rund rund 11,5 Prozent. Damit läge das Zentrumsspital in einem ähnlichen Bereich wie das Inselspital (Fluktuationsrate 2015: 10,4 Prozent), das Universitätsspital Zürich (12,4 Prozent) oder das Spital Thurgau (13,9 Prozent). Die Hirslanden-Gruppe am anderen Ende meldete zuletzt eine Fluktuationsrate von 5,2 Prozent.
«Man kann nicht immer die besten Bedingungen bieten»
Ein Spital sei ein 24-Stunden-Betrieb, was die Angestellten sehr beanspruche, erklärte Schneider zur allgemein hohen Fluktuation in der Branche. Ein weiterer Grund sei, dass das Personal gerne an vielen verschiedenen Arbeitsorten Erfahrungen sammelt. Und weiter: «Wir haben auch viel Konkurrenz, und man kann nicht immer besten Arbeitsbedingungen bieten – zum Beispiel in Lohnfragen. Das kann dazu führen, dass Mitarbeiter den Arbeitsort wechseln.»
Damit verweist Schneider vor allem auf die Pflege, wo es ja auch eindeutig eine höhere Fluktuationsrate gibt. So erreichte die Quote im Universitätsspital Zürich beim Pflegepersonal
zuletzt 15,9 Prozent – also selbst bei einem ausgemachten Magnetspital, das zu den gefragtesten Arbeitgebern im Schweizer Gesundheitswesen gehört.
Schwierigkeiten in der Vergangenheit
Allerdings scheint die personelle Unruhe in Biel eher in anderen Bereichen geherrscht zu haben. Angesprochen auf Gerüchte einer Kündigungswelle, sagte Verwaltungsratspräsident Fredy Sidler noch im September im «Bund», die Fluktuation beim nicht ärztlichen Personal sei gar nicht gestiegen.
Im «20 Minuten»-Interview erklärte SZB-Chef Schneider – der erst seit Monatsbeginn im Amt ist –, dass es tatsächlich in der Vergangenheit Schwierigkeiten gegeben habe, doch der Verwaltungsrat habe diese erkannt. Deshalb habe es gezielte Veränderungen im oberen Kader gegeben. «Aber ja», so Schneider weiter, «in der Unternehmenskultur haben wir noch Arbeit vor uns. Wir wollen nicht, dass uns Angestellte verlassen, weil sie mit der internen Unternehmenspolitik nicht zufrieden sind.»
«Verteilen Arbeit nicht auf weniger Köpfe»
Auf Kaderebene seien die Stellen immer sofort wieder besetzt worden. Das Bieler Spital könne bei Bedarf auch auf externe Hilfe zurückgreifen, zum Beispiel aus dem Inselspital. Und es bekomme auch genügend Bewerbungen. «In der Pflege arbeiten wir ergänzend auch mit temporären Angestellten. Wir verteilen die Arbeit nicht auf wenige Köpfe.»
In den Leserkommentaren äusserten sich diverse Personen, welche ganz allgemein über den steigenden Druck im Pflegebereich klagten. In der begleitenden «20 Minuten»-Umfrage zur Arbeitsmoral in der Pflege klickten 51 Prozent die Antwort an, dass der «Druck so sehr gestiegen (ist), dass es langsam keinen Spass mehr macht»; derweil antworteten 14 Prozent, es sei «nach wie vor mein Traumjob» (bei zuletzt 1'335 Stimmen).
«Man wünscht sich Normalität zurück»
Konkret aus dem SZB äusserte sich eine anonyme Person grundsätzlich positiv: «Ich hatte noch nie einen so flexiblen Arbeitgeber, es gefällt mir gut und ich bin froh eine Stelle zu haben. Dennoch ist die unangenehme Situation überall zu spüren und man wünscht sich die Normalität von vor ein paar wenigen Jahren zurück. Negativ ist, dass viele überfordert sind mit der Arbeit, aber anstellen wollen sie dann auch nicht mehr Personen.»
Eine andere Person aus dem Spitalzentrum war kritischer – und meldete in der Kommentarspalte, dass es «schlimm ist, was da vor sich geht. ... Von wegen normale Fluktuation. Insbesondere mehrere Chefärzte verschwanden über Nacht, und um den grossen Schuldenberg abzufangen, wird nun eine der grössten Bettenstationen komplett geschlossen. Ein super funktionierendes, tolles Pflegeteam zerschlagen und die gleichen Patientenzahlen auf fachfremde Disziplinen verteilt. Adieu Pflegequalität und Patientenzufriedenheit!»
Dies spielt an auf einen jüngst vermeldeten Entscheid, wonach eine Bettenstation mit rund 30 Betten geschlossen wird, wobei die Aufgaben und das Personal auf andere Stationen verteilt werden. In den Kommentarspalten melden sich allerdings auch einige Patientinnen, die widersprechen – indem sie die Betreuung am Spitalzentrum Biel explizit loben.