Verwaltungsrätin vom Unispital Basel steht in der Kritik

Nach dem PR-Desaster um einen Bluttest zur Krebsfrüherkennung werden Rufe nach Rücktritten laut. Mittendrin ist auch eine Verwaltungsrätin vom Basler Universitätsspital (USB).

, 25. April 2019 um 05:00
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Im Skandal um nicht marktfähige Bluttest sind beim Universitätsklinikum Heidelberg nun erstmals Forderungen nach personellen Konsequenzen aufgekommen. Einer der Klinikdirektoren verlangt nach Rücktritten auf der Ebene der Geschäftsleitung, wie die F.A.Z. vor Kurzem meldete.
Die Rücktrittsforderung richtet sich an die Leitende Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich sowie auch an Irmtraut Gürkan, die Kaufmännische Direktorin und Stellvertretende Geschäftsführerin der Klinik, die über 12'000 Mitarbeitende beschäftigt.
«Sie können weiteren substantiellen Schaden von uns allen, der Fakultät und dem Klinikum abwenden, wenn Sie im Sinne eines Rücktritts die Verantwortung übernehmen, die Ihnen mit Ihren Positionen anvertraut wurden», steht in einer E-Mail, die an 100 Führungskräfte der Uniklinik ging.

Seit 2012 beim Basler Universitätsspital

Irmtraut Gürkan gehört nicht nur zu den führenden Persönlichkeiten der Universitätsmedizin in Deutschland, sondern auch zu den erfolgreichsten Klinikmanagerinnen und -managern in Deutschland. Seit 2003 ist sie kaufmännische Direktorin und Stellvertretende Geschäftsführerin des ältesten deutschen Universitätsklinikums.
Die Ökonomin mit Jahrgang 1952 leitete zuvor die Finanzabteilung des Universitätsklinikums Frankfurt und war dort stellvertretende Verwaltungsdirektorin. Seit 2012 hat Gürkan auch mindestens eine direkte Verbindung in die Schweiz. Sie sitzt im Verwaltungsrat des Basler Universitätsspitals (USB), gewählt durch den Regierungsrat. Durch dieses Amt legt sie unter anderem die strategische Ausrichtung fest, führt Risikokontrollen durch oder beaufsichtigt die Spitalleitung. Sie gehört dem Nominierungs- und Entschädigungsausschuss an und ist Vorsitzende des Immobiliengremiums.

Hype um verfrühte Ankündigung eines Brustkrebs-Test

Vor ein paar Jahren wurde Irmtraut Gürkan vom Gesundheitswirtschaftsmagazin «kma» zur Managerin des Jahres gewählt. Sie scheue auch vor ungewöhnlichen Kooperationen und Expansionen nicht zurück, hiess es damals in der Begründung der Jury.
Nun könnte ihr aber ein Vorfall im Zusammenhang mit einer Kooperation zum Verhängnis werden. Grund ist ein Skandal um Bluttests, der am 21. Februar seinen Anfang genommen hatte. Die Fachwelt wirft der operativen Leitung des Universitätsklinikums Heidelberg vor, sie habe sich darüber hinweggesetzt, dass der noch nicht zugelassene Bluttest gegen Brustkrebs bislang weder durch eine Studie nachgewiesen noch durch eine Publikation in einem Fachjournal abgesichert ist.
Der Chef der Heidelberger Frauenklinik hatte Ende Februar die angebliche Weltsensation präsentiert, einen Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs, der noch in diesem Jahr marktreif sei. Es war von einem «Meilenstein» in der Brustkrebs-Diagnostik die Rede. Medien auf der ganzen Welt berichteten von der PR-getriebenen Kampagne über den Flüssigbiopsie-Test, exklusiv auch die Zeitung «Bild» sowie Schweizer Zeitungen.

Gürkan will sich dazu nicht äussern

Nach massiver Kritik aus der Wissenschaftsgemeinde krebste die Leitung zurück: In einer Mitteilung bedauert das Universitätsklinikum die Geschehnisse rund um den Bluttest des Heidelberger Spin-Offs Heiscreen. «Die voreilige Veröffentlichung der Erfolgsmeldung war ein Fehler und verletzt die hohen Standards, die das Klinikum zurecht in diesem Bereich anlegt». Die Klinik betonte in einer anderen Mitteilung aber auch, dass sich es sich zu der Aufgabe bekenne, die Erkenntnisse aus der Forschung in die klinische Anwendung zu übertragen und dazu auch Spin-offs zu tätigen.
Es scheint, dass in dieser Angelegenheit die Geschäftsleitung ein gewisses Mass an Mitverantwortung trägt. Zumindest hat die ärztliche Leitung und auch die Geschäftsführung das Risiko in Kauf genommen, den nicht marktreifen Test der Öffentlichkeit voreilig vorzustellen, ohne dabei gewisse Mindestandards einzuhalten.
Auf eine Anfrage von Medinside mit der Bitte um eine Stellungnahme hat Gürkan nicht reagiert. Die Heidelberger Uniklinik verweist auf eine von der Uni-Klinik eingesetzte Expertenkommission, die bereits ihre Arbeit aufgenommen habe. Das Gremium soll den Sachverhalt aufklären und unter anderem Hinweise auf eventuelles Fehlverhalten geben.

Staatsanwalt ermittelt wegen Insiderhandel

Derzeit ermittelt im Fall auch die Staatsanwaltschaft, unter anderem wegen Verdachts auf Insiderhandel. So war der Börsenkurs der beteiligten Firma NKY Medical nach der Ankündigung um über 50 Prozent gestiegen. Diese Pharmafirma vermarktet gemeinsam mit der Heidelberger Firma Heiscreen NKY den Brustkrebs-Bluttest in China. An der Heiscreen NKY ist die Uniklinik-Tochter Technology Transfer Heidelberg (TTH) Medienberichten zufolge mit 80 Prozent beteiligt.
Auch der an der Entwicklung des Tests involvierte Heidelberger Frauenklinik-Chef Christof Sohn und Forscherin Sarah Schott sind an der Firma beteiligt, was bei medizinischen Forschern allerdings durchaus üblich ist. Hier stellt sich aber vor allem die Frage, ob die beiden Professoren als Unternehmer oder als offizielle Vertreter der Uniklinik die Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen vorbereiteten. 
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