Impfen: Die Gesundheitsprofis als schlechtes Vorbild

Vergessen Sie die Impfgegner. Wenn die Zustände in der Schweiz suboptimal sind, dann liegt das an anderen. Dies lässt sich aus dem neuen Virusbarometer herauslesen.

, 14. November 2016 um 09:15
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Sind Impfgegner wirklich ein ernsthaftes Problem? Wenn es um den Impfschutz geht, liegen die wahren Aufgaben offenbar woanders. Denn mittlerweile sind nur noch etwa 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung «resistent impfkritisch» und verzichten bewusst oder gar entschlossen darauf, sich selber impfen zu lassen. Deutlich höher ist derweil die Zahl jener, welche die Sache einfach verschlampen. 
Oder anders: Beim Impfen geht es eher um Nachlässigkeit als um Widerstand und Feindschaft.
Dies ein starker Eindruck, den das neue «Virusbarometer» schafft. Die repräsentative Umfrage zeigt auf, dass insgesamt 43 Prozent der Einwohner über keinen aktuellen Impfschutz verfügen. Besonders tief ist der Impfschutz dabei bei jungen Frauen – und überhaupt bei Personen ab 37 Jahren. Die Erhebung, durchgeführt vom Institut gfs Bern im Auftrag von Gilead, erfasste die Antworten von 1'200 Personen.
  • Alle Daten: «Virusbarometer 2016» — Zum Virusbarometer 2015.
Ein anderer Eindruck des neuen «Virusbarometers»: Wenn jemand den Impfgegnern in die Hände spielt, dann sind es die Gesundheitsprofis. Denn ausgerechnet die Ärzte und Pflegenden lassen sich ja eher nachlässig impfen – etwa gegen Grippe; dies ist in Fachkreisen bekanntlich kein Geheimnis (siehe dazu hier). Allein: Wie die neue Erhebung zeigt, ist die Bevölkerung ebenfalls gut informiert darüber. 56 Prozent der Befragten sagten aus, dass sich das Gesundheitspersonal nicht systematisch impft.
Eine satte Mehrheit weiss also, wie die Lage ist – und nimmt die Fachleute zwangsläufig nicht als Vorbild wahr.  
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Wem vertraut man bei Gesundheitsfragen? Die Entwicklung von 2014 bis 2016.
Und so scheint sich auf der einen Seite zwar «die Ratio breitzumachen», wie die Autoren unter Leitung von Lukas Golder einmal schreiben. Aber von Ratio zu Handlung bleibt es ein weiter Weg.
Zum Beispiel denken auch immer mehr Menschen, dass die Experten die Argumente der Impfgegner entkräftet haben: 54 Prozent stimmen bei der diesjährigen Umfrage dieser Aussage zu – vor zwei Jahren waren es noch 47 Prozent gewesen. Nicht ganz konsequent ist dabei allerdings, dass eine leichte Mehrheit zugleich meint, es sei «besser, eine Krankheit durchzumachen» als zu impfen. Und immerhin 47 Prozent denken auch, dass Grippeimpfungen gefährlich sind.

Schlüsselrolle der Hausärzte

Kurz und gut: Es bleibt vieles im Vagen, man impft ein bisschen und vergisst doch die Termine; man findet Impfen im Grundsatz richtig, aber im konkreten Fall auch nicht so nötig.
In dieser Situation dürfte dem Gesundheits-Fachpersonal weiterhin eine Schlüsselrolle zukommen, so eine weitere Schlussfolgerung der «Virusbarometer»-Autoren. Dies zeigt sich auch daran, dass der Hausarzt laut der Umfrage immer noch die wichtigste Figur ist, wenn es um Gesundheitsfragen geht – vor Partnerin oder Partner, anderen Gesundheitsfachleuten und Apothekern. Die Rolle von Krankenkassen und der Industrie wird auf der anderen Seite eher zwiespältig beurteilt. 
Das Virusbarometer ist eine repräsentative Umfrage zu den Haltungen im Themenfeld Viren. Dieses Jahr wurde sie zum dritten Mal nach 2014 und 2015 erhoben. Dabei befragte das Forschungsinstitut gfs.bern im Sommer eine repräsentative Auswahl 1’209 Personen aus der Schweizer Bevölkerung.
Die Befragung wird jeweils im Auftrag von Gilead Sciences Switzerland Sàrl durchgeführt. Das Virusbarometer soll dabei aufzeigen, welche Einflüsse mögliche Ängste prägen und wie sich die Befragten zu Themen wie Impfen, ansteckenden Krankheiten und gesundheitlichen Ansprechpersonen äussern.
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