Vom Cockpit ins Spital: Was Piloten besser machen

Erkenntnisse aus der Luftfahrt zeigen, wie strukturierte Kommunikation auch im Spital die Fehlerkultur verbessern kann.

, 3. Juli 2025 um 05:44
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Symbolbild/Unsplash
Was in der Luftfahrt längst zum Alltag gehört, ist im Gesundheitswesen noch keine Selbstverständlichkeit: Psychologische Sicherheit. Sie ermöglicht offene Kommunikation, flache Hierarchien und ein konstruktives Fehlermanagement – und kann über Leben und Tod entscheiden.
Neue Erkenntnisse und Erfahrungen zeigen: Wenn medizinische Teams sich an den Kommunikationsstandards im Cockpit orientieren, steigt nicht nur die Teamleistung, sondern auch die Patientensicherheit messbar.
«Selbst der jüngste Copilot muss sich trauen, den Kapitän auf einen möglichen Fehler hinzuweisen», sagt Philippe Ammann, Kapitän und Ausbilder bei Swiss International Air Lines. Diese Kultur sei kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit an Teamführung und Fehlerkommunikation. Auch im Klinikalltag, etwa in der Psychiatrie, kann psychologische Sicherheit über Wohl und Wehe entscheiden.
Fabian Kraxner ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Kanton Zürich. Für seine Verdienste um die Nachwuchsförderung wurde ihm der Early Career Fellowship Price in Paris verliehen. Er ist Mitgründer und ärztlicher Leiter der Mental Health Company.
Philippe Ammann ist Captain bei Swiss mit über 30 Jahren Flugerfahrung. Er trainiert angehende Kapitäne in Leadership-Kursen und begleitet ganze Crews in jährlichen Teamtrainings. Als Mitgründer von medLEAD360 und Leiter von Pilot Impuls bringt er sein Know-how aus der Luftfahrt in Spitäler, Industrie und Unternehmen.

Konsequenzen

Wer sich im Team nicht traut, kritische Themen wie Suizidalität oder eskalierende Krisen offen anzusprechen, riskiert schwerwiegende Konsequenzen.
«Psychologische Sicherheit ist entscheidend für effektive Teamarbeit im Gesundheitswesen und in der Luftfahrt.»Fabian Kraxner
Ein klassisches Beispiel: Ein junger Arzt zögert, den erfahrenen Oberarzt auf bedenkliche Vitalzeichen hinzuweisen – aus Angst, als inkompetent zu gelten. Solche Situationen verdeutlichen, wie hierarchische Barrieren und mangelnde Kommunikationskultur die Patientensicherheit gefährden können.

Psychologische Sicherheit

Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Teammitglieder sich trauen, Fragen zu stellen, Fehler einzugestehen oder Hilfe zu suchen – ohne Angst vor negativer Bewertung. Sie ist keine Einladung zu Beliebigkeit oder Nachlässigkeit, sondern Voraussetzung für offenes Feedback, kritisches Denken und gemeinsame Verantwortung.
«Psychologische Sicherheit ist entscheidend für effektive Teamarbeit im Gesundheitswesen und in der Luftfahrt.» — Fabian Kraxner
Das stärkt nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität klinischer Entscheidungen. Wenn Führungskräfte ihre eigene Fehlbarkeit zeigen, fördert das eine Kultur des Vertrauens und der Transparenz.

Führung entscheidet

Ein autoritärer Führungsstil, der keine Diskussion duldet, kann eine fatale Fehlerkultur erzeugen. Bessere Ergebnisse zeigen sich in Teams, in denen Verantwortung geteilt und konstruktives Feedback gefördert wird. Dies erfordert bewusstes Führungsverhalten, klare Kommunikationsstrukturen und Lernbereitschaft auf allen Ebenen.
Dabei entsteht Psychologische Sicherheit nicht von allein. Sie muss aktiv gestaltet werden – durch strukturierte Fallbesprechungen, hierarchieübergreifende Meetings, standardisierte Übergaben, regelmässige Reflexionsrunden und gezielte Trainings. Auch Speak-up-Protokolle und Simulationen helfen dabei, kritische Situationen sicher zu meistern.

Fazit

Psychologische Sicherheit ist kein weicher Faktor, sondern harte Voraussetzung für Hochleistung und Sicherheit in komplexen Systemen wie dem Gesundheitswesen. Die Lehren aus dem Cockpit bieten wertvolle Impulse für eine Kultur, die Fehler nicht bestraft, sondern zum Lernen nutzt. Davon profitieren am Ende nicht nur die Teams – sondern vor allem die Patientinnen und Patienten.
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