Datenschutz: Ohne Unterschrift keine Behandlung

Weigert sich ein Patient, die neue Datenschutz -Einverständniserklärung zu unterschreiben, kann ihm der Arzt die Behandlung verweigern.

, 16. Oktober 2023 um 13:25
letzte Aktualisierung: 27. November 2023 um 09:16
image
Ärzte sind verpflichtet, ihre Patienten ausreichend zu informieren. | pressfoto
Seit dem 1. September 2023 gilt das neue Datenschutzgesetz. Damit verbunden sind teils seitenlange Einverständniserklärungen, welche die Patienten unterschreiben müssen und die oft für Unverständnis und Irritierung sorgen.
So auch bei einem Zürcher Diabetes-Patienten. Sein Arzt verweigerte ihm die Behandlung, weil er die Einverständniserklärung nicht unterschreiben wollte.
Verständlich, dass die Situation auch für Ärzte mühsam ist und wertvolle Zeit durch Diskussionen und zusätzlichen administrativen Aufwand verloren geht. «Dass lange Formulare und Einverständniserklärungen auf ein gewisses Unverständnis stossen, kann ich nachvollziehen. Auf der anderen Seite ist es aber natürlich legitim – und bis zu einem gewissen Umfang rechtlich notwendig –, dass sich Ärzte und Spitäler absichern», sagt dazu der Datenschutzanwalt David Vasella gegenüber Medinside.
Bei der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) tönt es ähnlich. Das neue Datenschutzgesetz,  aber auch die ärztliche Sorgfaltspflicht, würden zwingend verlangen, dass die Praxen ihre Patienten über die Bearbeitung und Weiterleitung von Daten informieren.

Einwilligung zwingend

Zugleich seien Einwilligungen etwa notwendig als Voraussetzung für eine Behandlung, weil man in der Schweiz davon ausgehe, dass Eingriffe in den Körper oder den psychischen Bereich ohne Einwilligung persönlichkeitsverletzend seien. «Und solche Einwilligungen sind nur wirksam, wenn der Patient ausreichend informiert wurde, weshalb strenge Anforderungen gelten und das wiederum die Dokumente länger macht», so Vasella.
Aber nicht jeder Umgang mit Personendaten verlangt eine Einwilligung – auch bei Gesundheitsdaten.

Das Interesse der Mediziner

Darf demnach also ein Arzt dem Patienten die Behandlung verweigern, wenn dieser die Einverständniserklärung nicht unterschreibt?
Dazu David Vasella: «Ja, falls die Einwilligung rechtlich notwendig ist. In diesem Fall muss er dies sogar». Allerdings: Ist die Einwilligung nicht notwendig und dient sie nur der Absicherung, so kann eine Verweigerung der Behandlung dazu führen, dass die Einwilligung unwirksam ist.
«Das zeigt, dass Ärzte und Spitäler ein eigenes Interesse daran haben, bei der Gestaltung von Einwilligungserklärungen nicht allzu sehr über das Ziel hinauszuschiessen», sagt der Datenschutzexperte.
Herr Vasella, wie erleben Sie die Umsetzung des neuen Datenschutzgesetzes? Es gibt noch immer viele Unternehmen, die sich mit dem neuen Datenschutzgesetz kaum auseinandergesetzt haben. Das betrifft den Gesundheitsbereich allerdings etwas weniger als etwa die Industrie. Die Umsetzung selbst lässt sich aber recht gut und mit überschaubarem Aufwand bewältigen, wenn ein Unternehmen bereit ist, mit gewissen Restrisiken zu leben.
image
David Vasella ist Partner in der Gruppe Informationstechnologie, Immaterialgüterrechte und Wettbewerb bei Walder Wyss Rechtsanwälte.
Was meinen Sie mit Restrisiken? Schliesslich drohen Bussen bis 250'000 Franken. Wie in anderen Bereichen ist eine vollständige Compliance, also eine wortgetreue Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen, kaum zu erreichen – wenn, dann nur mit enormem Aufwand, dem keine entsprechende Reduktion von Rechtsrisiken gegenübersteht. Würde man etwa alle Personendaten automatisiert und präzise dann löschen, wenn eine weitere Aufbewahrung gesetzlich nicht vorgeschrieben und auch sonst nicht mehr erforderlich ist, müsste man alle Systeme entsprechend aufsetzen. Das ist bei nicht strukturierten Datenbestände wie etwa E-Mails kaum möglich.
Somit ist die vollständige Umsetzung des Datenschutzes aus technischen Gründen gar nicht möglich? Zumindest sind aus technischen Gründen oder aufgrund von Sachzwängen gewisse Abstriche nicht zu vermeiden. Eine robuste Compliance – im Sinne einer «minimum viable compliance» – lässt sich aber durchaus erreichen, ohne dass ein Unternehmen übermässig belastet wird.


  • datenschutz
  • arbeitswelt
  • arztpraxis
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ersetzt KI schon bald Mediziner? Die Branche zweifelt

Die menschliche Beziehung zu den Patienten bleibt ein entscheidender Erfolgsfaktor bei vielen Therapien.

image

700'000 Franken für die Rettung von Impfdaten

Die Datenrettung von 'meineimpfungen.ch' verläuft harzig, verursacht jedoch hohe Kosten.

image

Forschung: Dickmacher Darmbakterien?

Darmbakterien könnten verantwortlich für Übergewicht sein. Zu diesem Schluss kommt die Berner Forscherin Maria Luisa Balmer - und wird dafür mit dem Marie Heim-Vögtlin Preis ausgezeichnet.

image

Versicherer fordern weniger Datenschutz

Den Versicherern sind bei der Nutzung ihrer Patientendaten bislang die Hände gebunden. Dies soll ein neuer Gesetzesvorschlag nun ändern.

image

Präziser, schneller, sicherer: So arbeitet der Cirq-Roboter am KSA

Ob bei Hirntumoren oder Wirbelsäulenoperationen: Der Cirq-Roboter ermöglicht dem Team der Neurochirurgie des Kantonsspitals Aarau KSA absolute Präzision bei der Instrumentenführung und verkürzt Operationen.

image

Ab morgen gilt das neue Datenschutzgesetz!

Am 1. September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft. Was dieses für Arztpraxen und Spitäler bedeutet, erklärt der Anwalt und Datenschutzexperte David Vasella im Interview.

Vom gleichen Autor

image

Neues Neuro-Zentrum in der Romandie

Das CHUV, die Uni Lausanne und die Institution de Lavigny betreiben neu gemeinsam das Neuro Rehab Research Center.

image

Mehr Therapietreue dank schlauer Verpackung

Nur ein Drittel aller Patienten nehmen ihre Medikamente wie vorgeschrieben ein. Smarte Verpackungen erinnern an die pünktliche Einnahme.

image

KSBL: Neue Chefärzte für die Klinik Kardiologie

Die Klinik für Kardiologie des Kantonsspitals Baselland hat mit Daniel Jauslin und Christian Maurer zwei neue Chefärzte.