«Der Pflegeberuf braucht eine Imagekorrektur»

Bis Ende dieses Jahrzehnts braucht die Schweiz 30 Prozent mehr Pflegefachpersonen. Das Dilemma: die Ausbildungszahlen stagnieren oder sind gar rückläufig.

, 31. August 2023 um 13:35
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Happy nurses – die schönen Seiten des Pflegeberufs sollten mehr in den Fokus gerückt werden. | Unsplash
Zahlreiche Lehrlinge haben in diesem Monat mit ihrer Lehre als FaGe begonnen. Fast alle Spitäler berichteten in einer Medinside Umfrage, dass sie ihre Lehrstellen besetzen konnten und die Nachfrage vielerorts weit über dem Angebot lag. Die höheren Fachschulen (HF) und Fachhochschulen (FH) zeichnen allerdings ein düsteres Bild. «Auf Sekundarstufe ist die Rekrutierungssituation normal. Knappheit haben wir klar auf der Diplomstufe», sagt dazu Jörg Meyer, Präsident des Verbands Bildungszentren Gesundheit Schweiz (BGS) gegenüber Medinside.

Unbesetzte Studienplätze

Laut Meyer, sind in der Zentralschweiz über hundert Studienplätze unbesetzt geblieben, es herrsche ein massives Nachfrageproblem. Der Verband Bildungszentren Gesundheit Schweiz (BGS), dem 32 Ausbildungsinstitutionen angehören, hat kürzlich die neusten Zahlen veröffentlicht: Im ersten Halbjahr 2023 haben nur noch 827 Personen eine Pflegeausbildung an einer höheren Fachschule begonnen. Letztes Jahr waren es bis Ende Juni 979 Personen. Das ist ein Einbruch um 15,5 Prozent.

Awanderung wird zunehmen

Um den Bedarf an Pflegefachleuten langfristig decken zu können, bräuchte die Schweiz bis Ende dieses Jahrzehnts allerdings rund 30 Prozent mehr Pflegefachpersonen. Und dazu müssten bereits jetzt die Ausbildungszahlen steigen. Ein weiteres Problem, das sich anbahnt: Die Zuwanderung ist auch in Gesundheitsberufen am versiegeln. So erhöht etwa Deutschland im nächsten Jahr die Pflegelöhne um 14 Prozent. Der Anreiz in die Schweiz abzuwandern, schwindet damit. In Genf blickt man der Abwanderung mit besonders grosser Sorge entgegen – rund 80 Prozent der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen sind Grenzgänger. «Fallen sie weg, haben wir ein Problem. Wir brauchen deshalb dringend eigene Leute.», so Meyer.

Der Gesundheitsversorgung stehen schwierige Jahre bevor

Zwar kündigte der Bundesrat vergangene Woche an, dass Mitte 2024 die grosse «Ausbildungsoffensive» starte. Acht Jahre lang soll insgesamt rund eine Milliarde Franken in die Ausbildung von Pflegefachkräften fliessen. «Das Problem werden wir damit nicht von heute auf morgen lösen; es wird dauern, bis die Initiative ihre volle Wirkung entfaltet», sagt Jörg Meyer. Realistisch betrachtet würden der Schweiz noch drei, vier schwierige Jahre in der Versorgung bevorstehen, glaubt Meyer und ergänzt:«Trotz der Pflegeinitiative, die für schweizerische Verhältnisse extrem schnell umgesetzt wird, werden wir uns mit den positiven Auswirkungen noch ein paar Jahre gedulden müssen.»

Es braucht eine Imagekorrektur

Wie aber könnten wieder mehr junge Menschen für den Pflegeberuf begeistert werden? Meyer sieht vorallem eine Imagekorrektur als möglichen Schlüssel. So werde medial ein eher düsteres Bild vom Pflegeberuf gezeichnet: hohe Arbeitszeiten, schlechte Löhne, eine hohe Ausstiegsrate. Diese Tatsachen dürften zwar nicht schöngeredet werden, jedoch müssten auch viel mehr die sinnerfüllenden Seiten des Pflegeberufs hervorgehoben werden. Dazu müsse auch die Pflege selbst müsse wieder positiver und stolzer über sich selbst sprechen, nach dem Motto: «Proud to be a nurse». Grosse Hoffnungen setzt Meyer auch auf Quereinsteiger aus anderen Berufen, die bisher an den höheren Fachschulen nur 20 Prozent der Pflegestudierenden ausmachen.
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