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Fragen und Antworten zur medizinischen Anwendung von Cannabis

Seit dem 1. August 2022 darf Cannabis für medizinische Behandlung angewendet werden. Das geänderte Betäubungsmittelgesetz erlaubt die Therapie mit cannabishaltigen Arzneimitteln, Cannabis-Extrakten oder Medizinal-Cannabisblüten. Dies auch ohne Ausnahmebewilligung des BAG.

, 22. August 2022 um 14:33
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Nachfolgend beantworten Matthias Stauffacher und Christoph Willi von Streichenberg Rechtsanwälte die wichtigsten Fragen zur medizinischen Anwendung von Cannabis in der Schweiz.
1.Was ist neu?
Bisher war Cannabis verboten. Eine medizinische Behandlung mit Cannabis war nur mit einer Ausnahmebewilligung des BAG zulässig. Vom Verbot ausgenommen waren Zubereitungen mit Cannabidiol (CBD) oder mit Tetrahydrocannabinol (THC), sofern der Gesamt-THC-Gehalt weniger als 1 Prozent beträgt.
Das Verbot von Cannabis wurde per 1. August 2022 aufgehoben - allerdings beschränkt auf die Anwendung zu medizinischen Zwecken. Die Gesetzesänderung ermöglicht den Anbau, die Verarbeitung, die Herstellung und den Handel mit Cannabis für die medizinische Anwendung. Gleich wie andere betäubungsmittelhaltige Arzneimittel unterliegt auch Cannabis der behördlichen Kontrolle. Eine Ausnahmebewilligung ist nicht mehr erforderlich. Ausserhalb der medizinischen Anwendung ist Cannabis aber weiterhin verboten. Dies gilt auch für die Selbstmedikation mit Cannabis ohne ärztliche Betreuung und Überwachung. Auch der Eigenanbau von Cannabis bleibt verboten.
2. Wofür wird Cannabis in der Medizin eingesetzt?
Cannabispflanzen enthalten eine Vielzahl von Wirkstoffen, welche für eine medizinische Anwendung in Frage kommen, im Einzelnen aber noch wenig erforscht sind. Im Vordergrund stehen die Inhaltsstoffe THC und CBD. Dem psychoaktiven THC wird die berauschende Wirkung des Cannabis zugeschrieben.
In der Vergangenheit wurden Zubereitungen mit THC gemäss den vom BAG erteilten Ausnahmebewilligungen hauptsächlich für folgende Indikationen verschrieben:
  • chronische Schmerzzustände, z.B. neuropathische oder durch Krebs verursachte Schmerzen;
  • Spastik und Krämpfe, die durch Multiple Sklerose oder andere neurologische Krankheiten ausgelöst werden;
  • Übelkeit und Appetitverlust als Folge einer Chemotherapie.

3. Was ist bei der Verschreibung von Cannabis zu beachten?
Die medizinische Anwendung von Cannabis erfordert eine ärztliche Verschreibung. Das Rezept muss durch eine Ärztin bzw. Arzt ausgestellt werden, die zur medizinischen Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung zugelassen ist.
Vor der Verschreibung muss die Ärztin bzw. der Arzt prüfen, ob eine Behandlung mit Cannabis aus medizinischen Gründen zu vertreten ist. Dazu ist die Patientin bzw. der Patient eigenpersönlich zu untersuchen. Auf die Angaben des Patienten oder einer Drittperson darf sich der Arzt nicht verlassen. Ebenso wenig darf er sich mit telefonisch erteilten Antworten oder einem elektronisch zugänglich gemachten Fragebogen begnügen. Erforderlich ist, dass der Arzt aufgrund seiner eigenen Überprüfung zur Überzeugung kommt, dass die Therapiewahl medizinisch begründet und im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Die verschreibende Ärztin bzw. der verschreibende Arzt ist für die Therapie verantwortlich. Er hat die Patientin oder den Patienten über die Behandlung zu informieren und über die fehlende klinische Evidenz sowie die Nebenwirkungen in Bezug auf Suchtpotential oder Fahrtüchtigkeit aufzuklären. Zu informieren ist der Patient auch über die Kosten der Behandlung und die fehlende Übernahme der Behandlungskosten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP). 
4. Welche Arten von Cannabis Präparaten sind in der Schweiz erhältlich?
Gegenwärtig gibt es in der Schweiz nur zwei zugelassene Fertigarzneimittel mit Cannabis (Sativex®, Mundspray mit 27 mg/ml THC und 25 mg/ml CBD zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose und Epidyolex®; Sirup bzw. Lösung mit 100 mg/ml CBD zur Behandlung von Krampfanfällen bei Lennox-Gastaut-Syndrom oder Dravet-Syndrom).
Alternativ können die Präparate von Apothekern gestützt auf die ärztliche Verschreibung hergestellt werden (Magistralrezeptur). Die Herstellung muss nach den anerkannten Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in kleinen Mengen erfolgen. Diese werden für Cannabispräparate in der Pharmakopöe näher ausgeführt. Die Präparate sind als Tropfen, Lösungen, Sirupe, Suppositorien, etc. in unterschiedlicher THC und CBD Stärke erhältlich.
Die Qualität der als Ausgangsstoff verwendeten, getrockneten Blüten oder Extrakten ist für die medizinische Anwendung von grosser Bedeutung. Denn wie bei anderen Phytoarzneimitteln schwankt auch bei Cannabis der Gehalt der Inhaltsstoffe, was Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie haben kann.
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5. Welche Möglichkeiten gibt es für die medizinische Anwendung von Cannabis?
Cannabis kann inhaliert oder oral aufgenommen werden. Bei der Wahl der Darreichungsform sind der Wunsch des Patienten, die Indikation und weitere Umstände zu berücksichtigen.
Zum Inhalieren wird die Verwendung eines Verdampfers (Vaporisator) empfohlen, der die Cannabisblüten auf über 185 °C erhitzt. Dadurch bildet sich ein inhalierbares Aerosol. Bei der Inhalation flutet die Plasmakonzentration sehr schnell an (3–10 Minuten) und sinkt ebenso schnell wieder ab.
Für die orale Einnahme eignen sich Spray, Kapseln oder Tropfen. Die Aufnahme nach peroraler Applikation ist langsam und individuell sehr unterschiedlich. Maximale Plasmaspiegel treten nach 1–6 Stunden auf.
Andere Darreichungsformen sind für die medizinische Anwendung nicht geeignet, da die Dosierung schwer kontrollierbar ist (Verbrennung als Joint, Verbacken in Gebäck etc.). Da Cannbinoide nicht wasserlöslich sind, sollte Cannabis nicht als Tee eingenommen werden.
Für die medizinische Anwendung ebenso wenig geeignet sind die im Handel frei erhältlichen CBD-haltigen Pasten und Öle. In der Regel sind die Inhaltsstoffe dieser Präparate nicht standardisiert und es fehlen Angaben über deren quantitative Zusammensetzung.
6. Werden die Behandlungskosten mit Cannabis durch die OKP vergütet?
Der Gesetzgeber hat es unterlassen, die Vergütung der Behandlungskosten mit Cannabis gesetzlich zu regeln. Es gelten deshalb die gleichen Voraussetzungen wie auch für andere Arzneimittel und die Wirksamkeit muss mit klinisch kontrollierten Studien nachgewiesen werden. Dieser Nachweis konnte bisher nicht erbracht werden. Fehlt es an der wissenschaftlichen Evidenz, so sind die Chancen für eine Vergütung im Einzelfall eng begrenzt (vgl. Art. 71 ff. KVV).
Ohne gesetzliche Regelung der Vergütung bleibt die medizinische Anwendung von Cannabis wenig attraktiv. Dies namentlich im Blick auf die hohen Behandlungskosten. Je nach Zusammensetzung und Dosierung schwanken diese zwischen CHF 500-2000 pro Monat.
7.Welche Zwecke werden mit der Begleiterhebung verfolgt?
Das Betäubungsmittelgesetz verpflichtet Ärztinnen und Ärzte pseudonymisierte Daten zu jeder Cannabis-Therapie in einem vom BAG bereitgestellten Informationssystem zu erfassen, einschliesslich Diagnose, Therapie, Dosierung und Nebenwirkungen. Durch diese nicht-interventionelle Begleiterhebung sollen weitere Erkenntnisse über die Wirkung und das Einsatzgebiet von Cannabis gewonnen werden.
Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, ob der Mehraufwand für die Begleiterhebung, einschliesslich der Aufklärung des Patienten, vergütet wird. Es bleibt abzuwarten, ob Ärztinnen und Ärzte diesen Zusatzaufwand über den TARMED zulasten der OKP abrechnen dürfen. 
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Über Streichenberg Rechtsanwälte
Unter der Leitung von Matthias Stauffacher und Christoph Willi verfügt Streichenberg über ein Team von Rechtsanwälten, die sich auf Rechtsfragen im Gesundheitswesen sowie im Umgang mit Arzneimitteln spezialisiert haben.
  • streichenberg
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