Trumps Paracetamol-Warnung: Was ist dran am Autismusrisiko?

Trump warnt Schwangere vor dem Schmerzmittel Tylenol – und löst damit weltweit Empörung aus. Doch wie berechtigt ist seine Behauptung?

, 23. September 2025 um 13:59
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Autismusrisiko? Trumps Paracetamol-Aussage sorgt international für Aufsehen. Bild: istock
US-Präsident Donald Trump hat mit einer drastischen Warnung vor der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Er sprach von einem «stark erhöhten Risiko für Autismus» – und stellte damit jahrzehntelange medizinische Praxis infrage.
Bei einer Pressekonferenz im Weissen Haus erklärte Donald Trump, Schwangere sollten möglichst auf Paracetamol verzichten. Die Food and Drug Administration (FDA) veröffentlichte am selben Tag ein Schreiben an Ärztinnen und Ärzte sowie eine Medienmitteilung. Darin verweist sie auf Beobachtungsstudien, die einen Zusammenhang zwischen Paracetamol-Einnahme in der Schwangerschaft und Entwicklungsstörungen wie Autismus oder ADHS nahelegen.

FDA ändert Label – EMA bleibt gelassen

Die FDA betont allerdings, dass kein Kausalzusammenhang bewiesen sei und Paracetamol weiterhin als das sicherste Schmerz- und Fiebermittel in der Schwangerschaft gilt – zumal Alternativen wie Ibuprofen oder Aspirin bekannte Risiken bergen. Der Brief an Ärztinnen und Ärzte empfiehlt, das Medikament nur in der niedrigsten wirksamen Dosis und möglichst kurz einzusetzen, insbesondere bei Routinebeschwerden wie leichten Fieberzuständen.
Parallel leitete die FDA eine Sicherheitsänderung der Produktinformationen ein. Auf Paracetamol-Packungen in den USA soll künftig ein Hinweis auf die diskutierte Assoziation mit Autismus und ADHS stehen.
In Europa bleibt man zurückhaltender: Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) stellte klar, dass es keine neuen Daten gebe, die eine Änderung der bisherigen Empfehlungen rechtfertigen würden. Paracetamol könne während der Schwangerschaft weiter verwendet werden, wenn dies medizinisch erforderlich sei. EMA-CMO Steffen Thirstrup erklärte: «Wir haben keine Belege, dass Paracetamol Autismus auslöst.»

Studienlage: Hinweise, aber keine Beweise

  • Ein Systematic Review im Fachjournal BMC Environmental Health wertete zuletzt 46 Studien aus und sprach von «starken Hinweisen auf einen Zusammenhang» zwischen Paracetamol in der Schwangerschaft und späteren Entwicklungsstörungen wie ADHS und Autismus.
  • Eine schwedische Registerstudie mit über 2 Millionen Kindern von 2024 fand jedoch keinen Zusammenhang. Die meisten Forschenden sprechen daher von einer Korrelation, nicht von einer Kausalität. Viele Faktoren – von genetischen Ursachen bis zu Umweltbedingungen – tragen zur Entstehung von Autismus bei.
  • Mehr Hintergründe und internationale Einschätzungen im «Nature»-Artikel: «Trump links autism and Tylenol: is there any truth to it?»
Swissmedic betont in einer Stellungnahme, dass es keine wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und Autismus bei Kindern gebe. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis bleibe unverändert positiv, Paracetamol sei weiterhin eine geeignete Option zur Behandlung von Schmerzen und Fieber – auch bei Schwangeren. Hingegen seien therapeutische Alternativen, gerade auch für Schwangere, unter Umständen weniger geeignet.
Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) bestätigt auf Anfrage von Medinside diese Einschätzung und sieht zum aktuellen Zeitpunkt keine Notwendigkeit zur Änderung der Praxis.

Finanzielle Dimension

Die Kontroverse hat auch wirtschaftliche Folgen. Die Aktie von Kenvue, Hersteller von Tylenol (Paracetamol), verlor nach Trumps Aussagen fast 10 Prozent. Zudem laufen in den USA bereits Sammelklagen, in denen Eltern den Konzern wegen mangelnder Warnhinweise verklagen.
Gleichzeitig könnte die Debatte neue Märkte öffnen. Die FDA genehmigte zeitgleich eine Indikationserweiterung für Leucovorin (Wellcovorin®) von GSK zur Behandlung von Cerebral Folate Deficiency (CFD), einer seltenen Erkrankung, die mit autistischen Symptomen einhergeht.
Das Pikante: Die Studienlage zu diesem Medikament ist noch recht dürftig. Erste kleine Untersuchungen deuten zwar darauf hin, dass Leucovorin bei Kindern mit Autismus und gestörtem Folatstoffwechsel Sprache, Sozialverhalten und Reizbarkeit verbessern kann – doch Fachgesellschaften betonen, dass deutlich mehr Forschung nötig ist, bevor klare Empfehlungen möglich sind. Sollte sich das Präparat dennoch als wirksam bei einem Teil von Autismus-Patienten erweisen, könnte daraus ein milliardenschwerer Markt entstehen.

Fazit: Verunsicherung statt Klarheit

Trumps pauschale Warnung verschärft die Verunsicherung. Während die FDA vorsichtig auf mögliche Risiken hinweist, bleiben europäische Behörden bei ihrer Linie: Paracetamol bleibt das Mittel der Wahl, wenn notwendig – in niedriger Dosierung, über kurze Zeit und nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt.
Zu den Originalpublikationen:


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