US-Präsident Donald Trump hat mit einer drastischen Warnung vor der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Er sprach von einem «stark erhöhten Risiko für Autismus» – und stellte damit jahrzehntelange medizinische Praxis infrage.
Bei einer Pressekonferenz im Weissen Haus erklärte Donald Trump, Schwangere sollten möglichst auf Paracetamol verzichten. Die Food and Drug Administration (FDA) veröffentlichte am selben Tag
ein Schreiben an Ärztinnen und Ärzte sowie eine
Medienmitteilung. Darin verweist sie auf Beobachtungsstudien, die einen Zusammenhang zwischen Paracetamol-Einnahme in der Schwangerschaft und Entwicklungsstörungen wie Autismus oder ADHS nahelegen.
FDA ändert Label – EMA bleibt gelassen
Die FDA betont allerdings, dass kein Kausalzusammenhang bewiesen sei und Paracetamol weiterhin als das sicherste Schmerz- und Fiebermittel in der Schwangerschaft gilt – zumal Alternativen wie Ibuprofen oder Aspirin bekannte Risiken bergen. Der Brief an Ärztinnen und Ärzte empfiehlt, das Medikament nur in der niedrigsten wirksamen Dosis und möglichst kurz einzusetzen, insbesondere bei Routinebeschwerden wie leichten Fieberzuständen.
Parallel leitete die FDA eine Sicherheitsänderung der Produktinformationen ein. Auf Paracetamol-Packungen in den USA soll künftig ein Hinweis auf die diskutierte Assoziation mit Autismus und ADHS stehen.
In Europa bleibt man zurückhaltender: Die
Europäische Arzneimittelagentur (EMA) stellte klar, dass es
keine neuen Daten gebe, die eine Änderung der bisherigen Empfehlungen rechtfertigen würden. Paracetamol könne während der Schwangerschaft weiter verwendet werden, wenn dies medizinisch erforderlich sei. EMA-CMO Steffen Thirstrup erklärte: «Wir haben keine Belege, dass Paracetamol Autismus auslöst.»
Studienlage: Hinweise, aber keine Beweise
Swissmedic betont in einer Stellungnahme, dass es keine wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und Autismus bei Kindern gebe. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis bleibe unverändert positiv, Paracetamol sei weiterhin eine geeignete Option zur Behandlung von Schmerzen und Fieber – auch bei Schwangeren. Hingegen seien therapeutische Alternativen, gerade auch für Schwangere, unter Umständen weniger geeignet.
Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) bestätigt auf Anfrage von Medinside diese Einschätzung und sieht zum aktuellen Zeitpunkt keine Notwendigkeit zur Änderung der Praxis.
Finanzielle Dimension
Gleichzeitig könnte die Debatte neue Märkte öffnen. Die FDA genehmigte zeitgleich eine
Indikationserweiterung für Leucovorin (Wellcovorin®) von
GSK zur Behandlung von Cerebral Folate Deficiency (CFD), einer seltenen Erkrankung, die mit autistischen Symptomen einhergeht.
Das Pikante: Die Studienlage zu diesem Medikament ist noch recht dürftig. Erste kleine Untersuchungen deuten zwar darauf hin, dass Leucovorin bei Kindern mit Autismus und gestörtem Folatstoffwechsel Sprache, Sozialverhalten und Reizbarkeit verbessern kann – doch
Fachgesellschaften betonen, dass deutlich mehr Forschung nötig ist, bevor klare Empfehlungen möglich sind. Sollte sich das Präparat dennoch als wirksam bei einem Teil von Autismus-Patienten erweisen, könnte daraus ein milliardenschwerer Markt entstehen.
Fazit: Verunsicherung statt Klarheit
Trumps pauschale Warnung verschärft die Verunsicherung. Während die FDA vorsichtig auf mögliche Risiken hinweist, bleiben europäische Behörden bei ihrer Linie: Paracetamol bleibt das Mittel der Wahl, wenn notwendig – in niedriger Dosierung, über kurze Zeit und nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt.
Zu den Originalpublikationen:
- Prada, D., Ritz, B., Bauer, A.Z. et al.: «Evaluation of the evidence on acetaminophen use and neurodevelopmental disorders using the Navigation Guide methodology», in: «BMC Environmental Health», September 2025. DOI: 10.1186/s12940-025-01208-0
- Ahlqvist VH, Sjöqvist H, Dalman C, et al.: «Acetaminophen Use During Pregnancy and Children's Risk of Autism, ADHD, and Intellectual Disability», in: JAMA, April 2024. Doi: 10.1001/jama.2024.3172