Warum sich die Ärzte mehr um die Spitalstrukturen kümmern müssten

Werden die Spitäler ökonomisiert? Nein – sagen die Geschäftsführer. Ja – sagen die Ärzte. Auf diese bemerkenswerte Differenz verweist eine neue Untersuchung aus Deutschland.

, 8. Januar 2018 um 09:18
image
  • gesundheitskosten
  • spital
Bemerkenswert ist der Wahrnehmungs-Graben, weil er einen kaum beachteten Kern der ethischen und betriebswirtschaftlichen Debatte in der Medizin tangiert; und weil er, wie manches Gespräch in der Branche zeigt, hierzulande ebenfalls bestehen dürfte.
Ein Team der Uni Bremen befragte in einer qualitativen Studie Ärzte und Direktoren deutscher Krankenhäuser in Pilotinterviews (22), Leitfadeninterviews (41), ferner in drei Fokusgruppen, in Expertenbefragungen und einem Werkstattgespräch.

Dilemma enttabuisieren

Deutlich wurde dabei, dass sich die beiden Gruppen klar unterschieden, wenn es um die Patientenversorgung geht. Die Geschäftsführer verwiesen auf die Gewinnorientierung – aber betonten, dass sie keinen direkten Einfluss auf ärztliche Entscheidungen nähmen. Lediglich mittelbar könne das Handeln des Arztes beeinflusst werden. 
Die Ärzte indessen berichteten von einem wachsenden Druck, betriebswirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen. Dies führe zu Unter-, Über- und Fehlversorgung der Patienten, aber auch zu ethischen Konflikten – und zu Stress und Frust.
Die Autoren – die Gesundheitsökonomen Karl-Heinz Wehkamp und Heinz Nägler – folgerten daraus, dass die Rahmenbedingungen und das Management tatsächlich die Medizin zulasten der Patienten und Ärzte beeinflussen, aber auch des Pflegepersonals. 
«Die Dilemmata von Ärzten und Geschäftsführern sollten enttabuisiert werden», so ein Fazit. «Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Steuerungskonzepte sind auf dieser Grundlage zu verändern.»

Die Logik des Herzkathetermessplatzes

Es fragt sich natürlich, wer mehr recht hat (und ob eine Seite eher die Wahrheit meldet). In einem Kommentar zur Studie sichtete Johannes Köbberling, ehemaliger Chefinternist an den Kliniken St. Antonius in Wuppertal, den Problemkern bei den Strukturen: Die Geschäftsführer würden sich tatsächlich hüten, in die ärztlichen Fälle hineinzureden; aber es sei eben auch logisch, dass ein Herzkathetermessplatz, der aus Konkurrenzgründen eingerichtet wurde, am Ende zu einer Ausweitung der Indikationen führt.
Die Ärzte wiederum dürften bei der Gestaltung der Strukturen zuwenig beteiligt sein. An einer tieferen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Klinikmanagern bei grundsätzlichen Entscheidungen führe kein Weg vorbei, so Köbberling. «Ärzte dürfen sich nicht auf das Klagen beschränken. Sie müssen sich mit ökonomischen Gesetzmässigkeiten auseinandersetzen und sich aktiv in die Gestaltung des Klinikbetriebs einbringen.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Spitalkrise: Die Schuld der Kantone

Für KSGR-Chef Hugo Keune sind die Krankenkassen schuld an der Spitalmisere. «Jein», sagt Heinz Locher: Die Kantone sind mitschuldig.

image

LUKS: So sieht das neue Ambulante Zentrum aus

Das Siegerprojekt für die Erweiterung des Luzerner Kantonsspitals steht fest. Kostenpunkt: Rund 240 Millionen Franken.

image

Claraspital Direktorin wird Clarunis-Verwaltungsrätin

Rebekka Hatzung gehört ab sofort zum vierköpfigen Verwaltungsrat des Universitären Bauchzentrums Basel.

image

Weniger Cyberattacken auf deutsche Spitäler

Greifen Hacker wirklich immer öfter Krankenhäuser an? Ein Regierungsbericht widerspricht dem gängigen Bild.

image

Ob FaGe, Apotheker, Physio oder Chefärztin: Das verdient man im Gesundheitswesen

Wie steht es um Ihr Gehalt? Hier finden Sie die Standard-Monatslöhne der wichtigsten Berufe in der Gesundheitsbranche.

image
Der KI-Ticker

Wo Künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen verändert

KI am Kantonsspital Baden ++ Jüngere Ärzte sind skeptischer als ältere ++ Durchbruch in der Sepsis-Erkennung ++ Neuer Rollstuhl ++ KI in der Anamnese ++

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.