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Spitäler messen viel – aber nutzen wenig: Neue Studie fordert Kulturwandel im Performance Management

Eine neue Studie der FH Nordwestschweiz (FHNW) in Kooperation mit dem Universitäts-Kinderspital Zürich (KISPI) und MediCongress im Rahmen eines Innosuisse-Projekts zeigt: Viele Institutionen haben zwar Daten, aber kaum ein integriertes System, das Strategie, Kultur und Entscheidungen verbindet.

, 16. November 2025 um 23:00
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Autoren: Olga Schibli, Nadine Rentsch, Lantwin Vezhaparambil, Norbert Seyff, Thomas Ehrlich, Doris Brandenberger
Olten/Zürich – Schweizer Spitäler stehen unter Druck: Qualität sichern, Personal halten, Kosten kontrollieren – und gleichzeitig transparent gegenüber Öffentlichkeit und Behörden bleiben. Doch wie wird „Leistung“ überhaupt gemessen? Und wichtiger noch: Wie wird sie genutzt?

Vom Reporting zur Lernkultur

Kürzlich wurden Führungskräfte, Ärzt:innen und Performance-Verantwortliche aus elf Spitälern aus der Schweiz befragt – darunter Häuser der Hirslanden-Gruppe, der Schulthess Klinik und die Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG). Die Analyse offenbart eine deutliche Schieflage:
  • Finanz- und Betriebskennzahlen dominieren, während Faktoren wie Mitarbeitendenbindung, Lernprozesse oder Patientenerfahrungen oft nur am Rand erhoben werden.
«Wir erfassen längst Kennzahlen – und fördern intern aktiv den gemeinsamen Dialog darüber. Weil Performance nicht im Dashboard beginnt, sondern mit der Haltung im Team», sagt Thomas Ehrlich, Leiter Integrales Kapazitätsmanagement am KISPI.
«Spitäler erfassen heute zwar viele Kennzahlen – aber oft ohne strategische oder kulturelle Verankerung», erklärt Olga Schibli, Projektleiterin FHNW. «Es geht nicht nur um Technik, sondern um Haltung, Transparenz und Lernfähigkeit.»
Das Forschungsteam entwickelte auf Basis der qualitativen Interviews und aktueller Literatur ein praxisorientiertes Performance-Framework. Es soll helfen, Daten nutzbar zu machen – nicht nur zur Kontrolle, sondern als Grundlage für kontinuierliches Lernen und organisationalen Reifeaufbau.

Sieben Dimensionen der Leistung

Klinische Wirksamkeit, Patientensicherheit, Patientenzentrierung, operative Effizienz, Governance & Lernen, finanzielle Performance, Workforce Sustainability und Governance & Lernen bilden die sieben Achsen des Modells.
Jede Dimension enthält konkrete KPIs – von Sterblichkeits- und Revisionsraten bis zu Mitarbeiter-Fluktuation oder Patient-Reported Outcome Measures (PROMs).

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Das Framework setzt auf 7 Dimensionen – für eine ganzheitliche Sicht
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«Spitäler brauchen nicht mehr KPIs, sondern mehr Reife», erklärt Olga Schibli, Projektleiterin FHNW. «Leistungsdaten müssen Entscheidungen, Lernprozesse und Kulturveränderung unterstützen – sonst bleiben sie Zahlen ohne Wirkung.»

Best Practice – Was andere bereits tun

  • Hirslanden Gruppe: verbindet klinische Kennzahlen mit Peer Reviews und einer gruppenweiten Patient-Safety-Plattform (TPSC).
  • Schulthess Klinik: erhebt systematisch PROMs und erreicht mit digitalen Prozessoptimierungen weltweit führende Revisionsraten.
  • HUG Genf: arbeitet mit dem Smart Hospital-Dashboard auf Basis von Qlik Sense – Echtzeitdaten für Infektionsraten, Bettenauslastung und Ressourceneinsatz.
Diese Beispiele zeigen, dass integriertes Performance Management Qualität, Effizienz und Mitarbeitendenbindung messbar verbessert – wenn es strategisch geführt und interdisziplinär getragen wird.
Aus den Interviews zum Verständnis von «Performance» ergeben sich unterschiedliche Perspektiven:
«Performance in about four different dimensions […] clinical […] operational […] patient-related […] and finally, financial performance.» – Executive Turnaround Manager
«Performance is a big word. […] What actually reaches the patient? […] How do our processes work, how efficient are we?» – Head of Integrated Capacity Management
«Key performance indicators […] you always just see the financial figures presented in media briefings […] but no one looks at the medical indicators.» – Head Quality Management
«Performance is not just a KPI […] It’s a construct centered around continuous improvement.» – CEO

Zwischen Transparenz und Überforderung

Trotz einzelner Leuchttürme bleibt die Mehrheit der Spitäler im Reifeprozess zurück. Gründe sind:
  • heterogene IT-Systeme,
  • föderale Zuständigkeiten,
  • kulturelle Vorbehalte gegenüber «Messung»,
  • die Angst, dass Kennzahlen zu Kontrolle statt zu Lernen führen.
«Viele Häuser haben ein Reporting-System, aber kein Lernsystem», so Schibli. «Entscheidend ist, ob Daten im Alltag Sinn stiften – für Ärzt:innen, Pflegende und Management.»
Die Forschenden empfehlen, Performance-Systeme an die EKQ-Vorgaben anzupassen und Reifegradmodelle einzuführen, um Entwicklungsschritte sichtbar zu machen. Auch das Testen von MVPs (Minimum Viable Products) sei sinnvoll, bevor komplexe Systeme ausgerollt werden.

Das Framework in vier Schichten

Die Studie schlägt ein vierstufiges Modell vor, das strategische, operative und kulturelle Aspekte verknüpft:
1. Strategische Basis: Abgleich von Spitalstrategie und Leistungszielen.
2. Performance-Dimensionen: Sieben Kernbereiche (siehe Infobox).
3. Daten & Informationssysteme: Integration, Validierung und intuitive Dashboards.
4. Aktivierung & Nutzung: Regelmässige Performance-Dialoge, lokale Entscheidungsfreiheit, Lernzyklen.
Diese Struktur erinnert an ein Betriebssystem für Spitäler – flexibel genug für unterschiedliche Grössen, aber verbindlich genug, um Vergleichbarkeit zu schaffen.
Das vorgeschlagene Performance-Management-Framework ist ein praxisorientiertes, modulares System, das speziell auf die Rahmenbedingungen Schweizer Spitäler und Kliniken zugeschnitten ist. Es wurde entwickelt, um die institutionelle Strategie mit der operativen Umsetzung zu verbinden, eine multidimensionale Leistungssteuerung zu ermöglichen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse in unterschiedlichen Gesundheitsorganisationen zu fördern.
Das Framework basiert auf empirischen Erkenntnissen aus elf Experteninterviews, überprüften Best Practices sowie den regulatorischen, organisatorischen und kulturellen Besonderheiten des Schweizer Gesundheitswesens.

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Visualisierung 2: Performance Management Framework Overview Quelle: Eigene Darstellung

Fazit

Die Ergebnisse senden ein klares Signal an das Schweizer Gesundheitswesen: Performance Management darf kein IT-Projekt bleiben. Neben technischen Lücken – etwa bei Datenintegration und Benchmarking – sieht die Arbeit vor allem kulturelle Barrieren: fehlende Performance-Dialoge, wenig Transparenz und schwache strategische Verankerung.
«Erfolgreiches Performance Management ist kein Reporting-Projekt», betonen Co-Autoren Nadine Rentsch und Lantwin Vezhaparambil, «sondern ein Lernsystem, das alle Ebenen des Spitals einbezieht.»
Es ist ein Kulturthema – und eine Voraussetzung für Qualität, Effizienz und nachhaltige Motivation der Mitarbeitenden.
Kontakt / Hinweis
Die Studie ist Teil des Innosuisse-Projektes zur Entwicklung einer digitalen Performance-Management-Plattform (FHNW, KISPI, MediCongress).
Projektleitung FHNW: Olga Schibli, olga.schibli@fhnw.ch
Das Projekt im Artikel läuft akuell noch und der vollständige Bericht wird erst im Januar 2026 publiziert.
Für vertiefte Einblicke und praxisorientiertes Know-how im Bereich Performance Management empfehlen wir unseren CAS Performance Management in Healthcare | FHNW

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