Nach Chefärztin-Entlassung: Grösste Fachgesellschaft schaltet sich ein

Es wäre an der Zeit, die einseitig auf die Ökonomie fokussierten Spitalstrategien zu korrigieren. Dieser Ansicht sind die Spitalinternisten und internistischen Chef- und Kaderärzte.

, 27. August 2020 um 07:25
image
Nach der Freistellung von Esther Bächli wehren sich Dutzende Kaderärzte, Spezialisten, Grundversorger und Zuweisende gegen die Entlassung der Chefärztin Innere Medizin am Spital Uster. Nun erhält diese Solidaritätsbekundung eine noch grössere Dimension: Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) und der Verein Internistischer Chef- und Kaderärzte (ICKS) schaltet sich ein. Dies dürfte bislang in dieser Art kaum vorgekommen sein. 
Die Fachgesellschaften bezeichnen die «plötzliche» Entlassung der Chefärztin als «befremdlich», die viele Fragen hinterlasse. Auch sie fordern den Verwaltungsrat auf, den «Fehlentscheid» zu korrigieren und die Entlassung rückgängig zu machen. Die SGAIM und der ICKS vertreten über 7500 Grundversorger und Spitalinternisten in der ganzen Schweiz und ist damit die grösste medizinische Fachorganisation der Schweiz. 

«Tiefer Graben zwischen Administration und Medizin»

Wie Dutzende Ärztinnen und Ärzte sehen auch die beiden Fachgesellschaften in Bächlis Entlassung ein drohender Vertrauensverlust für die Medizinischen Disziplinen und das Spital Uster. Dies führe zu internen Konflikten, Rekrutierungsschwierigkeiten sowie Patienten- und Zuweiserentfremdung, steht in der Mitteilung zu lesen. Und auch der Ruf bei Ärzten als hervorragende Aus- und Weiterbildungsstätte und bei der Bevölkerung dürfte beschädigt werden. 
Das Spital Uster hat die Freistellung von Esther Bächli, die unter Patienten und Zuweisend einen exzellenten Ruf geniesst, mit unterschiedlichen Auffassungen zur strategischen Ausrichtung begründet. Dies widerspiegelt laut SGAIM und ICSKS den tiefen Graben zwischen der patientenfernen administrativen Führung und dem medizinischen Kerngeschäft. 
«Es scheint dem Verwaltungsrat offenbar opportun, die unbequeme aber stets dem Patientenwohl verpflichtete und bei ihren Mitarbeitern beliebte Chefärztin loszuwerden», steht in der Mitteilung weiter zu lesen. Ob dadurch die erhoffte Ergebnisverbesserung eintrete, bezweifeln die Verfasser in Anbetracht der «Kollateralschäden». Zudem wird erwähnt, dass Esther Bächli schweizweit eine der wenigen Frauen sei, die eine Chefarztposition innehaben und dem weiblichen Nachwuchs als Rollenmodell diene.

Diese Patientenbetreuung verteuere die Medizin

Für die Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin und für die Internistischen Chef- und Kaderärzte  ist klar: «Es wäre an der Zeit, dass in den einseitig auf die Ökonomie fokussierten Spitalstrategien wieder gesellschaftlich wichtige Aspekte Einfluss gewinnen.» Sie nennen qualitativ hochstehende Patientenbetreuung, Exzellenz in Aus- und Weiterbildung sowie lokale Sicherstellung einer vernünftigen Grundversorgung.
Die Internisten sehen insbesondere der Schwächung der ganzheitlichen Patientenbetreuung und der breiten allgemein-medizinischen Weiterbildung  mit Sorge entgegen. Dies resultiere in einem Mangel an Hausärzten und Spitalinternisten. Sie schreiben: «Die daraus folgende zunehmende spezialärztliche Fragmentierung der Patientenbehandlung verteuert die Medizin unnötig.»
  • Lesen Sie auch: «Nachfolge für Esther Bächli bereits geregelt»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Zürich: Regionalspitäler schmieden weiter an Allianz

Drei Häuser wollen enger kooperieren: Die Spitäler Männedorf, Uster und Zollikerberg sprechen bereits über gemeinsame Tochterfirmen und gebündelte IT. Das angeschlagene Spital Wetzikon ist aussen vor.

image

Sparprogramme reichen nicht: Das Spitaljahr im Check

Kooperationen, weniger Angebote, effizientere Abläufe, Schliessungen, Nullrunden bei den Löhnen: Die öffentlichen Akutspitäler haben viel getan, um die Finanznot zu bekämpfen. Fazit: So geht es trotzdem nicht weiter.

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

image

Ärzte des Spitals Uster betreuen Heim

Ab 2026 übernimmt die Akutgeriatrie des Spitals Uster die ärztliche Versorgung am Standort «Im Grund» der Heime Uster.

image

Spitalhygiene: Geschlechtsneutrale WCs bergen ein Risiko

In schottischen Krankenhäusern wurden Damen-, Herren- und Unisex-Toiletten auf Keime geprüft. Heraus kamen drastische Unterschiede.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.