Kinderhospiz – nicht nur ein Ort für den letzten Lebensabschnitt

In der Schweiz entstehen derzeit drei Kinderhospize. Dabei steht weniger der letzte Lebensabschnitt eines Kindes im Fokus – vielmehr sollen betroffene Familien entlastet werden.

, 24. Juli 2023 um 05:23
image
Ein Zuhause auf Zeit – das alllani Kinderhospiz entsteht derzeit in diesem Haus in Bern. | zvg
Die 6-jährige Noe leidet an einem seltenen Gendefekt und ist als Folge dessen von einem lebensbedrohlichen Hirntumor betroffen. Ein Grossteil ihres Lebens hat das Mädchen im Spital verbracht, ihre alleinerziehende Mama immer an ihrer Seite. Die Angst um ihre Tochter, die Ungewissheit, die fehlende Entlastung und das schlechte Gewissen gegenüber ihrer älteren Tochter haben bei der 30-Jährigen Spuren hinterlassen. Die Folge: Erschöpfung und Burnout.

Entlastung und Auszeit

Ein Ort, wo sie sich gemeinsam mit ihren zwei Töchtern erholen könnte, fehlt bislang in der Schweiz. Das soll sich nun ändern. Derzeit arbeiten drei Initiativen an der Realisierung von Kinderhospizen bzw. eines Mehrgenerationen-Palliativzentrums. Denkt man bei «Hospiz» unweigerlich an einen Ort zum Sterben, (Medinside berichtete hier) sollen die Kinderhospize vielmehr der Entlastung und Auszeit betroffener Familien dienen.

Fehlendes Angebot in der Schweiz

Mehr als 5 000 Kinder und Jugendliche leben in der Schweiz mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Während es in Europa 133 Kinderhospize gibt – 20 davon allein in Deutschland – fehlt in der Schweiz ein solches Angebot. Laut Nicola Presti von der Stiftung Kinderhospiz Schweiz ist die aktuelle Versorgungssituation in der Schweiz für Kinder und Jugendliche mit einem palliativen Betreuungsbedarf, weit entfernt von den Zielen der «Nationalen Strategie Palliative Care» 2010. «Es stehen weder genügend Angebote der Palliative Care zur Verfügung, noch ist die Finanzierung von Angeboten nachhaltig gesichert», sagt sie.

Mangelnde Akzeptanz

Einen Grund dafür sieht sie auch in der mangelnden Akzeptanz von Kinderhospizen: Diese hätten als stationäre Einrichtungen einen hohen Erklärungsbedarf und die Einbettung in die Spital- und Pflegelandschaft werde häufig in Frage gestellt. So bestünde vielerorts das Missverständnis, dass es sich bei einem Kinderhospiz in erster Linie um einen Ort zur Sterbebegleitung handle. Gemäss Erfahrungen der Kinderhospize in Deutschland versterben jedoch nur etwa 3 Prozent dieser Kinder im Hospiz. Im Gegensatz zum Erwachsenenhospiz stehen vielmehr Angebote in Form von Übergangs- und Entlastungsbetreuung im Fokus.


image

Erweiterung innerhalb der Versorgungskette

Die Kinderhospize sehen ihre Rolle deshalb als eine Erweiterung innerhalb der Versorgungskette zwischen Akut-Kinderspitälern, Pflege zu Hause mit Unterstützung von ambulanten Angeboten, Pädiatrischen Palliative-Care-Teams und Freiwilligen Diensten.

Unklare Stellung im Gesundheitssystem

Politisch und gesetzlich fallen Kinderhospize derzeit durch alle Maschen und es ist bislang unklar, wo sie in der Versorgungsstruktur eingegliedert werden können. Leistungsaufträge für Kinderhospize gibt es keine. Dass der Handlungsbedarf auf vielen Ebenen hoch ist, räumt auch Nationalrätin Flavia Wasserfallen ein. Als Mitglied der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit setzt sie sich für die Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien ein: «Es fehlt eine gesicherte Finanzierung auf Bundes- und kantonaler Ebene, was wir politisch lösen müssen.»

Finanzierung durch Spenden

Auch hier versuchen die drei Initiativen gemeinsam, die verantwortlichen Gremien stärker zu sensibilisieren. Aktuell muss die Finanzierung der stationären Kinderhospize, d. h. Bau (Neu- / Umbau), Betrieb sowie die palliative Pflege und Betreuung überwiegend durch Spenden sichergestellt werden.
  • hospiz
  • palliativmedizin
  • Palliative Care
  • kindermedizin
  • pflege
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Weniger Bürokratie in der Pflege

Der Bundesrat sollte die Bürokratie in der Pflege abbauen. Er hält aber nichts davon.

image

Das Dahlia-Pflegeheim in Huttwil geht zu

Dahlia kürzt im Oberaargau ihr Pflegeangebot um 55 Plätze. Entlassungen sind aber nicht vorgesehen.

image

Spital Männedorf verärgert Goldküsten-Kinderärzte

Die neue Spital-Kinderarztpraxis in Männedorf sorgt für rote Köpfe bei den ansässigen Pädiatern. Es ist von Falschaussagen und einem Abwerben der Neugeborenen die Rede.

image

Pflege heisst Action, Stories und Emotionen

Das Berner Bildungszentrum Pflege zeigt: Um Nachwuchs anzuwerben, muss man halt kräftig mit Klischees arbeiten.

image

Bericht: Bundesrat will Arbeitsbedingungen in der Pflege detailliert regeln

Geprüft wird unter anderem eine Spannbreite der Arbeitszeit, eine Ankündigungsfrist für Dienstpläne oder mehr Geld für Kurzfrist-Einsätze.

image
Gastbeitrag von Alessia Schrepfer

Wartet nicht einfach, bis die Politik tätig wird

Es braucht mehr unternehmerisches Denken im Gesundheitswesen – und erst recht im Pflegeberuf.

Vom gleichen Autor

image

Spital Wetzikon: Und noch ein GL-Mitglied weniger

Letzte Woche Urs Eriksson, heute Judith Schürmeyer – wieder hat ein Geschäftsleitungs-Mitglied das GZO Spital verlassen. Interimistisch übernimmt Susanna Oechslin.

image

Wie wäre es, keinen Arztbericht mehr schreiben zu müssen?

In Zukunft dürfte ChatGPT solche Aufgaben übernehmen. Laut einer Studie schreibt das KI-Programm den Arztbericht zehnmal schneller – und nicht schlechter.

image

Insel: «Die Stimmung könnte besser sein»

Auf Radio SRF äusserte sich Bernhard Pulver zu den Mobbing-Vorwürfen. In Sachen Führung gebe es Handlungsbedarf. Aber man habe das Personal nicht vergessen.