Werden neue Praxiszentren die Notfallstationen entlasten?

Offenbar kaum. In den USA wurden nun die Auswirkungen von hunderten neuer Walk-in-Praxen untersucht. Kernfrage: Gelangen weniger Bagatellfälle in die Spitäler?

, 24. November 2016 um 07:45
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Amerika ist ein grosses Land – und darum lassen sich dort ein paar Fragen statistisch klären, bei denen man bei uns höchstens mit Annahmen arbeiten kann.
Zum Beispiel die Annahme: Wenn neue Walk-in-Praxen und Ambulatorien entstehen, dann wirkt sich das auf die Notfallstationen in der Umgebung aus. Sie werden logischerweise entlastet.
Wie sehr sie auch zutrifft, wollte nun die Rand Corporation wissen, der grösste «Think Tank» der Vereinigten Staaten. Denn auch Amerika erlebte in den letzten Jahren eine regelrechte Explosion der «Retail Clinics», also von leicht zugänglichen Praxen, die idealerweise bei bestehenden Supermärkten, Apotheken oder Verkehrsknotenpunkten angesiedelt wurden. Ihre Zahl verzehnfachte sich von 130 im Jahr 2006 auf 1'400 im Jahr 2012.
Ein Phänomen notabene, an dem sich auch dort bald die Spitäler aktiv zu beteiligen begannen.
So weit, so bekannt. Ein Forscherteam unter Leitung des Arztes Grant Marstolf wollte nun aber die Folgen für die Notfallstationen der Spitäler erforschen. Und zwar jeweils im Radius von 10 Fahrminuten: Was geschah, wenn dort neue Walk-in-Praxen eröffnet wurden? 
Auf der Basis von Daten aus über 2'000 Notfallstationen in 23 Bundesstaaten zeichneten ein Team aus Medizinern, Statistikern und Sozialforschern auf, wie sich die «Nachfrage» nach 11 leichteren Befunden entwickelten, wenn die Dichte von ambulanten Angeboten in der Umgebung erhöht wurde. Es ging also um Erkrankungen, die oft im Notfall auftauchen, aber genauso gut in einer Hausarztpraxis aufgehoben wären, beispielsweise Bronchitis, Bindehautentzündung oder Pharyngitis.

«Es wäre ein signifikanter Zuwachs nötig…»

Das Resultat: Die Folgen waren minim bis fast nicht feststellbar – der Andrang in den Notfallstationen veränderte sich nicht. Und zwar eben auch nicht bei der erwähnten leichten Befunden. 
Man mag nun denken, dass dies an den Besonderheiten des amerikanischen Kassen-Systems liegt, bei dem viele Unversicherte die Notfall-Stationen als günstigere Lösung erachten (was so oft nicht stimmt). Aber nein: Selbst bei den Privatversicherten liess sich kaum ein Trend weg vom Notfall feststellen, wenn in der Gegend Walk-in-Praxen entstanden. Auch hier, so die Autoren, war der Effekt «sehr klein, und es wäre ein signifikanter Zuwachs an neuen ambulanten Kliniken nötig, um auch nur einen bescheidenen Einfluss auf die Besuche in den Notfallstationen zu haben.»
Indirekt bestätigt sich hier also der Eindruck, dass die Kunden der neuen niederschwelligen Angebote eben von den Hausärzten her wechseln – und nicht in einer (vielleicht auch vermeintlichen) Notlage das neue Alternativ-Angebot aufsuchen: Wenn man das Gefühl hat, ein Notfall zu sein, geht man in die entsprechende Abteilung.
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