Herr Brenzikofer, welcher Grundgedanke steckt hinter DayOne?
Unser Gesundheitssystem ist nicht nachhaltig und wird über kurz oder lang die stark ansteigenden Kosten einer älter werdenden Bevölkerung sowie zunehmender chronischer Leiden wie auch neuer, immer teurer werdender Therapien nicht tragen können. Neue Ansätze sind dringend erforderlich. Hierfür bieten die digitalen Technologien ein enormes Potential. Deren Potenzial kann aber nur ausgeschöpft werden, wenn die verschiedenen Interessensgruppen an einem Strick ziehen. Genau hierfür haben wir mit DayOne eine neutrale Plattform geschaffen, welche den offenen Dialog schafft, aber auch ganz konkret neuen Ideen Raum gibt, um erprobt und umgesetzt zu werden.
Thomas Brenzikofer, Mitbegründer der DayOne Initiative
An der diesjährigen Konferenz werden über 400 Innovatoren, Expertinnen und Patienten aus verschiedenen Branchen und Disziplinen zusammenkommen. Was erhoffen Sie sich für Resultate?
Wir stellen immer wieder fest, dass insbesondere bei Ärzteschaft und Pflegepersonal enormes Potential für Innovationen vorhanden ist. Schliesslich sind sie mitten im System drin und bekommen eins zu eins mit, was schiefläuft und was besser gemacht werden könnte. Oft gehen solche Ideen im Alltag unter. Das Kerngeschäft einer Ärztin oder eines Pflegers ist ja auch das Wohlergehen des Patienten. Deshalb wollen wir mit der DayOn Conference solchen Ideen eine Bühne geben und den Austausch zwischen Patienten, Experten und Unternehmer ermöglichen, in der Zuversicht, dass sich die eine oder andere in Form eines Startups oder Projekts realisiert.
Mit dem DayOne Accelerator von BaselArea.swiss helfen Sie konkret, innovative Ideen vorwärts zu treiben. Erzählen Sie.
Das Förderprogramm ist auf Startups fokussiert, welche mit ihren digitalen Anwendungen die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen verbessern. In einer ersten Phase wurden, zusammen mit einer Fachjury und in enger Zusammenarbeit mit dem Universitäts-Kinderspitals Beider Basel (UKBB), rund 15 vielversprechende Projekte ausgewählt, welche an der DayOne Konferenz am 9. September 2019 vor einem Fachpublikum präsentiert werden. Dort erhalten die Unternehmer dann im Rahmen eines Open Innovaiton Workshops die Möglichkeit, ihre Ideen zusammen mit Experten weiter zu schärfen, um anschliessend ihre finale Eingabe zuhanden einer Fachjury einzureichen. Diese wählt vier Projekte aus, welche das Acceleration Programm letztlich absolvieren dürften.
Auf was dürfen sich die Gewinner freuen?
Diese Projekte bekommen bis zu 50'000 Franken, einen Büroplatz sowie massgeschneidertes Mentoring unter Einbezug des gesamten regionalen Innovationskosystems während sechs Monaten.
Was glauben Sie: Ist die Gesundheitsbranche in der Schweiz technologisch für die Zukunft gerüstet?
Das ist eine der zentralen Fragen, die wir an der Konferenz diskutieren werden. Ich glaube, wir sind auf gutem Wege. Vor allem aber können wir auf einer sehr soliden Basis aufbauen. Es gilt nun, die richtigen Entscheidungen zu treffen und unsere Gesundheitslandschaft als Gesamtes für die Zukunft fit zu machen. Dazu braucht es nicht nur Geld, sondern auch die Bereitschaft neues auszuprobieren. Dies geschieht nur dann, wenn sich alle Stakeholder gleichermassen ein Stückweit aus ihrer Komfortzone herauswagen. Dies betrifft nicht nur finanzielle Aspekte sondern vermehrt auch ethische und gesellschaftliche Fragestellungen.
Welche ethischen Grundsätze müssen dringend diskutiert werden?
Das grosse Thema derzeit sind Daten. Wie können diese zugänglich gemacht werden für die Erforschung neuer Therapien und Anwendungen, während gleichzeitig die Privatsphäre geschützt bleiben soll. Hierzu braucht es einen Konsens. Ebenfalls fraglich ist, wie sehr man das persönliche Wohlergehen den Algorithmen überlassen darf. Inwiefern also operieren solche «künstlichen Intelligenzen» neutral und unvoreingenommen oder wie lässt sich kontrollieren, ob sie nicht manipuliert sind. Wie gehe ich also damit um, wenn letztlich eine Maschine darüber entscheidet, ob mir eine Therapie verwehrt bleibt, weil angeblich auszuschliessen ist, dass sie bei mir wirkt.
Bislang sind Innovationen hauptsächlich inkrementell in den einzelnen Silos entstanden. Dieses «Silodenken» zu durchbrechen ist nun eine der zentralen Herausforderungen. Wie erleben Sie das?
Silodenken ist nicht nur weitverbreitet, sondern auch notwendig. Nur durch Fokussierung kann in den einzelnen Disziplinen Spitzenleistungen erbracht werden. Spezialistentum fördert vor allem die inkrementelle Innovation, also etwa das nächstbessere Molekül. Irgendwann ist diese Art der Innovation ausgereizt, und es braucht neue Impulse. Doch können diese Impulse nur dann aufgenommen werden, wenn sich das System öffnet. Genau an diesem Punkt sind wir. Die neuen Impulse werden verursacht durch die Entwicklung in den digitalen Technologien. Um diese allerdings zu adaptieren, wird sich die gesamte Wertschöpfungskette anpassen müssen. Damit dies funktioniert, braucht es ein Zusammenspiel aller Stakeholder. Ich bezeichne das gerne als auch als Ökosysteminnovation.
Wie sehen Sie die Schweiz als Standort für Startups im healthcare Bereich?
Generell ist die Schweiz ein guter Standort für Startups und hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Wichtig ist allerdings, dass diese Startups eben auch auf einen guten Nährboden treffen, um sich entwickeln zu können. Damit sind wir wieder bei der Ökosysteminnovation. Erst wenn sich die massgebenden Player gegenüber den neuen Ideen, welche von Startups erprobt werden, öffnen, können diese auch gedeihen und eine kritische Masse an Investoren anziehen. Persönlich bin ich überzeugt, dass die Schweiz hierfür hervorragend aufgestellt ist.
Im Bereich Datenregulierung könnte sich die Schweiz als Innovationsstandort einen Vorteil verschaffen…
Das ist ein ganz grosses Thema und birgt viele offene Fragen. Innovation wird in Zukunft stark Datengetrieben sein, weshalb ein breiterer Zugang zu Daten dringend notwendig ist. Hier braucht es ein Umdenken. Generell werden Daten heute als privater Besitz betrachtet. Jeder will Daten anhäufen als die neue Quelle von Reichtum. Darauf baut schliesslich das Geschäft der Internetgiganten. Wie wäre es aber, wenn wir – gerade im Gesundheitsbereich – Daten als öffentliches Gut betrachten würden, das der Allgemeinheit dient – selbstverständlich unter Bewahrung der Persönlichkeitsrechte und der Privatsphäre?
Für den Accelerator haben sich doppelt so viele Startps beworben wie noch im Vorjahr. Was beeindruckt Sie an den Jungunternehmen?
Mich beeindruckt, dass sie einerseits mit Herzblut hinter ihrer Idee stehen, andererseits gefordert sind, sich permanent zu hinterfragen. Diesen Spagat auszuhalten zwischen tiefster Überzeugungskraft und maximaler Flexibilität in der Ausgestaltung, wird nicht jedem Menschen in die Wiege gelegt und sollte meiner Meinung nach gesellschaftlich sehr viel höher geschätzt sein als gemeinhin üblich.
Thomas Brenzikofer (geb. 1966) ist Mitbegründer und Manager von DayOne Healthcare Innovation bei BaselArea.swiss. DayOne hat sich zum Ziel gesetzt, ein weltweit führendes Zentrum für Präzisionsmedizin aufzubauen, welches das Zusammenwachsen von Diagnostik, Behandlung und digitaler Gesundheit versteht. Vor seiner Tätigkeit bei DayOne bei BaselArea.swiss war Thomas Brenzikofer stellvertretender CEO von i-net innovation networks switzerland. Thomas Brenzikofer hat einen journalistischen Hintergrund. Von 2000 bis 2010 war er Mitbegründer und Chefredakteur der Netzwoche und publizierte zum Thema Digital Driven Business Innovation. Danach gründete er als Partner und Autor das "C-Level Magazin" und das Branchen-Kompendium "Swiss Made Software - das Buch". Er begann seine journalistische Laufbahn 1993 als Redakteur der WerbeWoche, beim digitalen Lifestyle-Magazin "Smile" und verfasste Beiträge zu Themen rund um E-Business, Internet, Web-Technologie und New Economy für verschiedene Tageszeitungen und Magazine wie Cash, Facts und Bolero.Thomas Brenzikofer hat einen Master in Philosophie, Linguistik und deutscher Literatur der Universität Basel mit dem Schwerpunkt Semiotik.
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