«Mit der Ausbildungsoffensive allein lässt sich der Pflegenotstand nicht beheben»

Für Yvonne Ribi vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) ist die Pflege weiterhin Spielball der Politik. Dies zeige sich zum Beispiel beim Verzicht auf einen Schutz der Berufsbezeichnungen.

, 21. Oktober 2019 um 08:11
image
  • pflege
  • pflegeinitiative
  • politik
image
Yvonne Ribi, Geschäftsführerin SBK. | SBK
Pflegefachpersonen sollen neu mit Versicherern vereinbaren, ob sie Leistungen ohne ärztliche Anordnungen eigenständig erbringen dürfen. Der Bundesrat legt diese Pflegeleistungen fest. So sieht es die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) vor. 
Solche Vereinbarungen sollen etwa regeln, wie der Pflegebedarf erhoben oder die Koordination zwischen Pflegenden und Ärzten sichergestellt wird. Die Mehrheit der Kommission argumentierte, dieses neue Modell sei nicht nur vorteilhaft zur Kostenkontrolle, sondern trage auch zur Qualität bei. 

Lockerung des Vertragszwangs steht nicht mehr zur Diskussion

Yvonne Ribi vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) bezeichnet diese «Einschränkung» als «eine klare Verschlechterung» des indirekten Gegenvorschlags der Pflegeinitiative. Sie bezweifelt, dass das vorgeschlagene neue Modell im Parlament eine Mehrheit finden werde, wie in einer Mitteilung des SBK zu lesen steht. 
Das Szenario erinnere Ribi an die Initiative «gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege», als die SGK diese mit der Aufhebung des Vertragszwangs «vergiftete», so dass eine Mehrheit des Nationalrats nicht darauf eintreten konnte. Eine Lockerung des Vertragszwangs steht im Rahmen des Gegenvorschlags übrigens nicht mehr zur Diskussion. 
Auch der Verzicht auf einen Schutz der Berufsbezeichnungen ist für die SBK-Geschäftsführerin nicht nachvollziehbar. Die Kommission verzichtete mit 13 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung auf neue Bestimmungen zum Schutz der Berufsbezeichnungen. Die SGK befürchtet, dass diese Änderungen zu Rechtsunsicherheit führen könnten. 

Ausbildungsoffensive für 469 Millionen Franken

Ziel des Gegenvorschlags der nationalrätlichen Gesundheitskommission ist es, mit einer Ausbildungsoffensive den Mangel an Pflegefachpersonen zu mildern – und die Attraktivität des Pflegeberufs dank zusätzlichen Kompetenzen zu steigern. 
Zur Finanzierung dieser Ausbildungsoffensive soll ein Verpflichtungskredit von maximal 469 Millionen Franken für acht Jahre beantragt werden. Dazu kommen weitere Massnahmen zur Erhöhung der Ausbildungsabschlüsse in Pflege an den Fachhochschulen (FH) und zur Förderung der Interprofessionalität. 

Vorschlag kommt jetzt ins Parlament

«Mit der geplanten Ausbildungsoffensive allein lässt sich der Pflegenotstand nicht beheben», sagt aber Pflegefachfrau Yvonne Ribi. Um die pflegerische Versorgung der Bevölkerung auch in Zukunft sicherzustellen, bräuchte es ihr zufolge auch Investitionen, damit die ausgebildeten Fachpersonen möglichst lange im Beruf bleiben.
Der Bundesrat wird in den nächsten Wochen zum indirekten Gegenvorschlag der Kommission Stellung nehmen. Und auch der Nationalrat wird in seiner neuen Zusammensetzung im Dezember den indirekten Gegenvorschlag beraten. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ältere Ärztinnen und Ärzte werden vom EPD befreit - wenigstens vorläufig

Wird die Ärzteschaft dazu gezwungen, das EPD bereits in zwei Jahren aufzuschalten, könnten die älteren Semester vorzeitig abspringen.

image

EPD: Übungsabbruch ist kein Thema

Nach dem Nationalrat stimmt am Dienstagmorgen auch der Ständerat einer Übergangsfinanzierung für das EPD zu.

image

Temporärarbeit in der Pflege verdient Neubeurteilung

Das Pflegepersonal ächzt unter dem Fachkräftemangel. Personaldienstleister helfen, dringend benötigtes Personal für Gesundheitseinrichtungen zu finden und tragen doppelt zur Problemlösung bei: Es gelingt Lücken zu schliessen und flexibilitätssuchende Fachkräfte gehen der Branche nicht ganz verloren.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

image

These: Die Tarifpartnerschaft funktioniert grundsätzlich nicht

Der Tarifstreit in der Physiobranche bleibt aktuell. Politikerinnen fragen nun, ob die Tarifpartnerschaft bewusst ausgebremst wird. Der Bundesrat nahm jetzt Stellung.

image

Zürich: Ausbildungsoffensive konkretisiert sich

Der Kanton sieht 100 Millionen Franken für die praktische Ausbildung und für die Unterstützung von Personen in Pflege-Ausbildung vor.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.