«Leider steht zu oft die kurzfristige Rendite im Vordergrund»

Trotz Überkapazitäten würden Spitäler und Infrastrukturen ausgebaut: Für den Verband Haus- und Kinderärzte Schweiz (mfe) ist das ein Unsinn. Die Lösung gegen diesen «Teufelskreis» liege auf der Hand.

, 28. August 2018 um 10:15
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Für den Verband der Haus- und Kinderärzte Schweiz (mfe) ist es sachlich nicht nachvollziehbar, warum sich Privatunternehmen und die öffentliche Hand weiter gegenseitig bei Investitionen in Spitäler und dazugehörende medizinische Infrastrukturen überbieten. 
«Leider steht zu oft die kurzfristige Rendite im Vordergrund», sagt mfe-Präsident Philippe Luchsinger. So würden Bereiche forciert, in denen die Patienten durchgeschleust werden können. Das Ergebnis: «Ein Überangebot an nicht benötigten Leistungen – zum Beispiel in der Kardiologie oder in der Gelenks- und Wirbelsäulenchir­urgie.».

Mehr Hausarzt – weniger Spital

Diesem Überangebot stehe speziell auf dem Land ein Mangel an Haus- und Kinderärzten gegenüber. «Die Politik unternimmt zu wenig, um diese Fehlentwicklung zu korrigieren», schreibt der Verband. Obwohl das Rezept gegen die «ungesunde Entwicklung der unaufhaltsam steigenden Gesundheitskosten» seit Jahren bekannt sei: Hausarztmedizin.
Für den Verband ist klar: Hausarztbasierte Gesundheitssysteme arbeiten günstiger und qualitativ besser. In der Hausarztpraxis könnten 94,3 Prozent aller Gesundheitsprobleme behandelt werden – selbständig, abschliessend und kostengünstig auch in komplexesten Situationen. Oder anders ausgedrückt: Nur gera­de 5,7 Prozent der gesundheitlichen Probleme benötigten einen Spezialisten oder ein Spital.

Appell an die Politik

Der Verband fordert deshalb nachdrücklich: Bund und Kantone sollen ihre Verpflichtung wahrnehmen und die Ausbildung für Hausärzte gezielt fördern. Der Katalog der Forderungen umfasst folgende Punkte:
  • Innovative Ideen und Konzept für neue Modelle von hausärztlichen Praxen/Zentren sollen stärker unterstützt werden.
  • Gezielte Förderung von hausarztbasierten Systemen (z.B. integrierte Versorgung) und die Schaffung von Anreizen für die Versicherten, damit sich die kontinuierliche Betreuung durch den Haus- und Kinderarzt auch finanziell lohnt.
  • Förderung der Prävention und der interprofessionellen Zusammenarbeit sowie eine adäquate Abgeltung entsprechender Leistungen.
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen (Ausbildung, Praxisjahr, Berufsimage, Entlöhnung, vielseitige Arbeitsmodelle etc.) für angehende Hausärztinnen und Hausärzte.

Verband startet Kampagne

Die Haus- und Kinderärzte Schweiz lancieren zudem die Kampagne «Rezept für eine gesunde Schweiz». Darin zeigt der Verband mit einem Augenzwinkern auf, dass sich die Grundversorger effizient und mit hoher Qualität für ein finanziell tragbares Gesundheitssystem für alle Einwohner der Schweiz einsetzen. Ausserdem werde ab September monatlich ein Statement zu einem hausärztlich relevanten Thema in den Sozialen Medien veröffentlicht. Befragt wurden etwa Ärzte, Patienten und Politiker. 
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