Diese 11 klinischen Studien prägen das nächste Jahr

Forscher sagen, welche klinischen Studien nächstes Jahr wichtig sind: Unter anderem zu Covid-Medikamenten, neuen Impfstoffen und tumorkillenden Viren.

, 22. Dezember 2021 um 09:54
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«Nature Medicine», die britische Zeitschrift für biomedizinische Forschung, hat elf Wissenschaftler gefragt, was für wichtige Ergebnisse klinischer Studien sie in ihrem Fachgebiet erwarten. Das sind ihre  Antworten:

Universelle Grippeimpfstoffe

Getestet wird ein neuer Impfstoff gegen die saisonale Grippe. Die Hoffnung der Forscher: Der Impfstoff FluMos-v1 soll eine grössere Vielfalt an schützenden Antikörpern hervorrufen als die derzeitigen Grippeimpfstoffe.
Und zwar deshalb, weil der neue Impfstoff ein so genanntes Mosaik-Nanopartikel-Immunogen nutzt: Es hat Antigene von mehreren Influenzaviren auf derselben Oberfläche.
Neil P. King, Assistenzprofessor am Institut für Proteindesign der Universität Washington, will mittels einer Studie herausfinden, ob der Impfstoff bei Menschen, die bereits mit Influenzaviren oder Impfstoffen in Berührung gekommen sind, besser wirkt.

Psychedelische Therapie gegen Depressionen

Menschen mit behandlungsresistenten Depressionen könnten Hilfe von einem Pilz erhalten: Psilocybin ist ein bekanntes Psychedelikum, das nächstes Jahr für die Behandlung von psychischen Erkrankungen getestet wird. David Nutt, Professor für Neuropsychopharmakologie am Imperial College London, erhofft sich vor allem Erkenntnisse über die richtige Dosierung. Es werden drei sehr unterschiedliche Mengen von Psilocybin getestet, nämlich 1 mg, 10 mg und 25 mg.

Tumorkillende Viren

ASP9801: So heisst das gentechnisch veränderte Virus, das Abwehrzellen gegen Tumore aktivieren soll. Es ist ein onkolytisches Virus, das heisst, ein Virus, das direkt oder indirekt Tumorzellen tötet. ASP9801 wird  demnächst versuchsweise in die Tumore von Patienten mit fortgeschrittenen oder metastasierten Tumoren injiziert. Die Sicherheit, Verträglichkeit und Antitumoraktivität dieses onkolytischen Vaccinia-Virus wird zum ersten Mal bei Krebspatienten untersucht, so der Studienleiter Yoshikazu Yonemitsu, Professor an der Graduate School of Pharmaceutical Sciences der Kyushu-Universität in Japan.

Antikörper statt Impfung gegen RSV

Das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) ist eine der Hauptursachen für schwere Atemwegsinfektionen bei Säuglingen und Kindern, aber es gibt derzeit keinen Impfstoff dagegen. Derzeit setzt man bei Hochrisikokindern den so genannten monoklonalen Antikörper Palivizumab ein. Monoklonale Antikörper sind von identischen Immunzellen gebildete Antikörper, welche aus ein und derselben Mutterzelle geklont wurden.
Palivizumab wirkt aber nur etwa einen Monat. Deshalb testet Ruth A. Karron, Professorin in der Abteilung für Internationale Gesundheit an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, nun mit Nirsevimab einen neuen monoklonalen Antikörper mit einer längeren Halbwertszeit. Eine einzige Dosis könnte ein Kleinkind während seiner gesamten ersten RSV-Saison schützen, so die Hoffnung.
Interessant wird vor allem sein, ob die Zulassungsbehörden einen monoklonalen Antikörper anstelle eines Impfstoffs als Prophylaxeprodukt zulassen.

Ergänzende Immuntherapie bei Brustkrebs

Junge Frauen mit dem schnell fortschreitenden dreifach negativen Brustkrebs haben wenig Behandlungsmöglichkeiten. Jennifer Litton, Professorin in der Abteilung für Brust-Onkologie am texanischen MD Anderson Cancer Center, hofft auf neue Therapien. Eine Studie soll zeigen, ob Pembrolizumab (vermarktet als Keytruda) als ergänzende Therapie taugt. Es wurde ursprünglich für die Behandlung von fortgeschrittenen Melanomen entwickelt.

Neue Covid-19-Behandlungen

Edward Mills Professor für Gesundheitswissenschaften an der kanadischen McMaster-Universität, hält die Together-Studie gegen Covid-19 für die wichtigste des nächsten Jahres. Bereits 2021 wurden neun verschiedene Behandlungsmethoden untersucht und sechs von ihnen wegen mangelnder Wirksamkeit sehr früh verworfen, wodurch Zeit und Geld gespart werden konnten.
Die Studie zeigte auch, dass das Medikament Fluvoxamin Spitalaufenthalte bei Covid-19 verhindern kann. Untersucht wird nun die Wirksamkeit verschiedener Medikamentenkombinationen, darunter Fluvoxamin oder Fluoxetin zusammen mit einem Steroid zum Inhalieren sowie Fluvoxamin zusammen mit dem direkt wirkenden antiviralen Medikament Molnupiravir.

Orale Therapie gegen Kala-Azar

Bei viszeraler Leishmaniose, auch Kala-Azar genannt, greift ein Parasit Knochenmark, Milz, Leber und Lymphknoten an. In einer Studie werden neue Kombinationspräparate aus Miltefosin und Paromomycin in Ostafrika getestet. Ziel ist es, die derzeitige Spritzen-Behandlung durch das oral verabreichte Miltefosin zu ersetzen. Die neue, weniger toxische und leichter zu verabreichende Therapie soll vor allem Kindern zugutekommen, hofft Monique Wasunna, Leiterin des Regionalbüros Afrika der Initiative «Drugs for Neglected Diseases» in Nairobi.

Neues Medikament bei neurodegenerativen Erkrankungen

Pridopidin ist ein Medikament, das bei der Huntington-Krankheit und anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose eine schützende Wirkung hat. Sind die laufenden Studien erfolgreich, könnte es bald zugelassen werden, so die Erwartung des Neurologen Blair Leavitt, Forschungsleiter am Huntington-Zentrum der University of British Columbia.

Exon-Skipping bei Muskeldystrophie

Die Duchenne Muskeldystrophie (DMD) ist eine seltene, fortschreitende Erkrankung, welche die Muskeln schwinden lässt. Derzeit wird mit Studien getestet, wie sich mit viraler Gentherapie der Krankheitsverlauf beeinflussen lässt. Geprüft wird so genanntes Exon-Skipping. Damit wird erreicht, dass Zellen fehlerhafte oder falsch ausgerichtete Abschnitte (Exons) des genetischen Codes «überspringen». Der Neurologe Kevin M. Flanigan, Professor für Kinderheilkunde und Neurologie am Ohio State University College of Medicine, setzt grosse Hoffnungen in die Studien, die zum Exon-Skipping laufen.

Gentherapie bei Amyloidose

Transthyretin-Amyloidose ist eine seltene Krankheit, bei der ein bestimmtes Protein im Körper abgelagert wird. Bisher mussten Patienten lebenslang immer wieder behandelt werden. Nun zeigt sich, dass neue gentechnisch veränderte Wirkstoffe intravenös verabreicht werden können und dann ein bestimmtes Gen in den Leberzellen verändern. Patienten würden bereits nach einer einzigen Dosis von einer Besserung profitieren, so die Hoffnung des Nierenspezialisten Julian Gillmore am Royal Free London Hospital.

Wirkstoff gegen die Huntington-Krankheit

Eigentlich ist diese Studie zur Huntington-Krankheit vor neun Monaten wegen Erfolglosigkeit vorzeitig beendet worden. Die Erbkrankheit Chorea Huntington ist eine Funktionsstörung des Gehirns, die zu Bewegungsstörungen führt.
Doch Claudia Testa, Leiterin der Abteilung für Präzisionsmedizin und Neurogenetik an der amerikanischen Universität Chapel Hill, glaubt, dass die genaue Auswertung der Ergebnisse trotzdem wichtige Erkenntnisse für die Behandlung der Huntington-Krankheit liefert, auch wenn der Wirkstoff nicht zugelassen wird. Getestet wurde ein so genanntes Antisense-Oligonukleotid (ASO). Das sind Nukleinsäuren, welche die Neubildung krankheitsfördernder Proteine hemmen.
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