Curafutura widerspricht Intergenerika

Wird eine Senkung der Generikapreise die Hersteller aus dem Markt treiben? «Ich sehe nicht ein warum», sagt Andreas Schiesser vom Krankenkassenverband Curafutura.

, 24. Oktober 2018 um 09:18
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Intergenerika ist der Verband der Generikahersteller. Dass er keine Freude daran hat, dass die Preise für Nachahmerprodukte sinken sollen, liegt auf der Hand. Mitte September sagte dessen Geschäftsführer Axel Müller an einer Medienkonferenz in Bern: «Ein weiterer Preisdruck könnte Hersteller aus dem Markt treiben.» Versorgungsengpässe wären die Folgen.

Referenzpreissystem

Der drohende Preisdruck ist real. Bis Mitte Dezember läuft eine Vernehmlassung zu Kostendämpfungsmassnahmen zwecks Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Dabei geht es unter anderem um die Einführung des Referenzpreissystems bei Generika. Medinside berichtete
Unter anderem fordert das auch die vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe, bei der etwa der Gesundheitsökonom Heinz Locher, Preisüberwacher Stefan Meierhans, Serge Gaillard von der Eidgenössischen Finanzverwaltung und Eric Scheidegger vom Seco mitwirkten. Geleitet wurde die Expertengruppe von alt Ständerätin Verena Diener.

Ein altes Anliegen von Curafutura

An vorderster Front für ein Referenzpreissystem kämpft auch der Krankenversicherungsverband Curafutura – und hier vor allem Andreas Schiesser, Projektleiter Medikamente. Der 64-jährige Ökonom war vorher in gleicher Funktion beim Konkurrenzverband Santésuisse tätig und noch vorher während 23 Jahren bei Roche.
Was sagt nun der Ökonom zur eingangs zitierten Aussage, wonach ein weiterer Preisdruck Generikahersteller aus dem Markt drängen? « Ich sehe nicht ein warum. Die hiesigen Preise wären auch nach einer Senkung vermutlich im Bereich des Durchschnitts der Referenzländern, die nicht zu den Billigpreisländern wie zum Beispiel Griechenland gehören».
Schiesser räumt ein, dass die Registrierung bei Swissmedic, das Anbieten der gleichen Packungen wie das Original sowie die Adaption der Verpackung für den Schweizer Markt mit Aufwand verbunden seien. Und doch glaubt er nicht, dass tiefere Preise die Generikahersteller davon abhielten, ihre Produkte auch in der Schweiz zu vertreiben.

Italien ist kein Referenzland

Laut Schiesser ist es mit nichts zu rechtfertigen, dass hierzulande die Generika-Preise doppelt so teuer sind wie in den Referenzländern. «Wohlverstanden, wir sprechen hier von den Referenzländern, die innerhalb der EU ein überdurchschnittliches Preisniveau aufweisen. Wir sprechen nicht von Italien oder Spanien.» Als Referenzländer dienen Dänemark, Deutschland, Niederlande, Grossbritannien, Frankreich, Österreich, Belgien, Schweden und Finnland.
Zweifelhaft findet Schiesser überdies das Argument, dass wegen der tieferen Generikapreise ein Versorgungsengpass entstehen könnte. «Wenn ein Generikahersteller den Schweizer Markt aus welchem Grund auch meidet, hätten wir ja immer noch die patentabgelaufenen Medikamente». 
Der Markt sollte auch geöffnet werden für Importe aus den Nachbarländern, die ja vergleichbare Packungen in unseren Landessprachen auf dem Markt haben. Krankenversicherer sollten laut Schiesser auch den Kauf der Medikamente in den Nachbarländern vergüten dürfen.

Preissenkung führt nicht zu einer Mengenausweitung

Auch die Behauptung, wonach tiefere Preise zu einer Mengenausweitung führten, ist laut Schiesser überhaupt nicht erwiesen. Das möge bei anderen Konsumgütern zutreffen, aber bei Arzneimitteln? «Würden Sie mehr Pillen schlucken, nur weil sie günstiger sind?»
Schliesslich widerspricht der Experte jener Aussage von Axel Müller, wonach die Deutschen ihr Rabattsystem wieder rückgängig machen möchten. «Das Rabattsystem in Deutschland funktioniert bestens. Ich habe noch nie von ernstzunehmender Seite gehört, dass dieses abgeschafft werden soll.»
In Deutschland schliessen die grossen Krankenversicherer Verträge mit den Generikaanbietern ab und können dabei Rabatte aushandeln. Die beiden vom Bundesrat vorgeschlagenen Modelle sind aber nicht am Rande mit dem deutschen Rabattsystem vergleichbar.
Beim Modell mit Meldesystem sieht der Vorschlag des Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor den Referenzpreis unter Berücksichtigung des günstigsten durchschnittlichen Drittels der gelisteten Arzneimittel festzulegen. Beim Modell mit Preisabschlag wird dagegen der Referenzpreis in angemessenem Abstand zum Auslandpreisvergleich festgelegt.
Welches der beiden Modelle schliesslich zur Anwendung kommt, wenn überhaupt, ist völlig offen. Die Vernehmlassung dauert noch bis Mitte Dezember.

Zahlen und Fakten

Der Anteil patentabgelaufener Arzneimittel am kassenpflichtigen Medikamentenmarkt beträgt 30 Prozent, entsprechend 1.5 Milliarden Franken. Weniger als die Hälfte, nämlich nur 700 Millionen, entfallen auf Generika.
Mit einem Referenzpreissystem will der Bundesrat für tiefere Generikapreise sorgen. So soll für einen bestimmten Wirkstoff ein maximaler Preis festgelegt werden, eben der Referenzpreis. Nur dieser wird von der obligatorischen Grundversicherung (OKP) vergütet. Liegt der Preis des bezogenen Medikaments über dem Referenzpreis, zahlt der Versicherte die Differenz aus dem eigenen Sack. 
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