Curafutura-Direktor zu Tardoc: «Wir sind nicht derart blauäugig»

Pius Zängerle, Direktor des Krankenkassenverbands Curafutura, spricht in einem Interview über den neu ausgehandelten Tarif Tardoc. Und Santésuisse sei herzlich willkommen, an einem gemeinsamen Tarif mitzuarbeiten.

, 12. September 2019 um 06:08
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Für Curafutura ist der neue ambulante Arzttarif Tardoc, ausgehandelt zwischen der Ärzteverbindung FMH und dem Krankenversichererverband, das bekannteste Beispiel für den Willen zur Zusammenarbeit im Schweizerischen Gesundheitswesen. Doch der Konkurrenzverband Santésuisse warnt: Tardoc habe Mehrkosten von 2 bis 3 Milliarden Franken zur Folge. 
Pius Zängerle, Direktor von Curafutura, widerspricht: «Sie können davon ausgehen, dass wir nicht derart blauäugig sind», sagt er in einem Interview mit den Zeitungen von CH Media. 
Und weiter: «Wir werden sicherlich nicht Einsparungen preisgeben, die wir zuvor hart erkämpft haben und nun mit dem Tarifeingriff des Bundesrats ihre Wirkung entfalten.»

«Die Ärzte haben inzwischen einen riesigen Schritt gemacht»

Für die Zahl von Santésuisse gebe es zudem keinerlei Grundlagen. «Die Zahl wird herausposaunt, um in der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten.» Curafutura habe alles seriös durchgerechnet. Zumal der Bundesrat einen neuen Tarif nur dann akzeptiere, wenn er kostenneutral ausfalle, also nicht teurer werde. 
Dank dieser Vorgabe konnte Curafutura in den Verhandlungen mit den Ärzten hart bleiben. Noch im Jahr 2016, als es der erste Revisionsentwurf vorlag, haben sich die Ärzte gegen die Maxime «Kostenneutralität» gewehrt, wie Zängerle der Zeitung weiter sagt. Doch: «Die Ärzte haben inzwischen einen riesigen Schritt gemacht.»

Tardoc bringe faire Preise für gute Leistungen

Auf die Frage, warum Curafutura einen Tarif unterstütze, der keine tieferen Kosten zur Folge habe, sagt Zängerle: «Wir haben bereits bei der Anpassung des bestehenden Tarifs Geld gespart. Hätten wir bei der neuen Verhandlungsrunde von den Ärzten nochmals tiefere Ansätze gefordert, hätten wir uns nicht gefunden.» Wachsende Ausgaben für Leistungen lassen sich ihm zufolge mit der Alterung der Bevölkerung ferner gar nicht verhindern.
Der neue Tarif Tardoc, so Zängerle weiter, bringe «faire Preise für gute Leistungen» und könne so in vielen Bereichen die Überversorgung eindämmen. «Wir wollen jene Leistungen honorieren, welche die Patienten auch wirklich benötigen.» Wenn ein Arzt für eine Leistung zu viel Geld bekomme, werde er entsprechend viel behandeln, da es für ihn attraktiv sei - als Beispiel nennt er die Behandlung des Grauen Stars.

Santésuisse mit «gefestigter Blockadehaltung»

Pius Zängerle äussert sich auch über die Zusammenarbeit mit dem Konkurrenzverband Santésuisse. Die Branchenorganisation sei herzlich willkommen, an einem gemeinsamen Tarif mitzuarbeiten, sagt Zängerle. «Dazu müssten sie aber zuerst ihre über Jahre gefestigte Blockadehaltung aufgeben.» Und da habe er seine Zweifel: Santésuisse sperrt sich laut Zängerle seit Jahren gegen eine Zusammenarbeit. Der Konkurrenzverband habe die Vorschläge von Curafutura immer schlecht geredet.
Der Ansatz von Santésuisse, auf ambulante Pauschalen zu setzen, sei darüber hinaus eine sinnvolle Ergänzung, aber mehr nicht, so Zängerle im Interview mit CH Media weiter. «Es ist schlicht falsch, zu glauben, man könne mit Pauschalen auf die Revision des Ärztetarifs verzichten.»
Mit Pauschalen könnten höchstens 15 Prozent des Ärztetarifs sinnvoll abgebildet werden. Für den Rest brauche es auch in Zukunft Tarife für Einzelleistungen. Zudem habe Santésuisse trotz wiederholter Ankündigungen bis anhin keinen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der von den Fachärzten akzeptiert wurde.
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