Bildschirm verführt zu Breitband

Wie unterscheiden sich Telemediziner von Praxisärzten im Verschreibungsverhalten? Eine grosse Studie testete, wer wie eifrig Antibiotika-Rezepte ausstellt.

, 29. Mai 2015 um 14:50
image
  • medikamente
  • trends
Verleitet die Telemedizin dazu, dass die Ärzte lockerer Rezepte ausstellen? Oder sind sie im Gegenteil zurückhaltender, wenn sie den Patienten nicht in Fleisch und Blut vor sich haben? Dies sind Fragen, die sich mehr und mehr stellen – und der jetzt eine Forschergruppe des amerikanischen Think Tank Rand Corporation nachging.
Das Team untersuchte die Daten von gut 65'000 Arzt-Patienten-Kontakten, bei denen es um Infektionen der Atemwege ging. Eine Idee dabei: Bei Husten- und Schnupfenerkrankungen werden oft ziemlich leichtfertig Antibiotika verschrieben – es gibt also eine grosse Grauzone der ärztlichen Verhaltensweisen.

Lieber unspezifisch

Interessanterweise konnten Lori Uscher Pines, Andrew Mulcahy et. al. nun aber den offensichtlichen Bezug zum Einsatz von Telemedizin kaum feststellen: Praxismediziner und Telemediziner verschrieben mit etwa derselben Häufigkeit Antibiotika – oder genauer: 

  • Im Face-to-face-Kontakt stellten 55 Prozent der untersuchten Patienten solch ein Rezept aus.
  • Wenn die Patienten via Bildschirm zugeschaltet waren, lag die Quote mit 58 Prozent geringfügig höher.

Entscheidend wurde der Unterschied aber bei der Auswahl des Mittels: Die Telemediziner wählten fast immer (konkret: in 86 Prozent der ausgefertigten Fälle) ein Breitband-Antibiotikum. Waren die Patienten in der Praxis, so wurde in gut der Hälfte der Fälle (56 Prozent) ein spezifischeres Mittel.
Eine Deutung, die sich also stark aufdrängt: Durch den indirekteren Kontakt fällt die ärztliche Diagnose am Ende doch weniger akkurat aus – so dass der Mediziner am Ende zur Übermedikation neigt.


Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Der Ticker

Schritte und Fortschritte im Gesundheitswesen

Spital Grabs: Knieersatz mit Roboter ++ USA: Abnehmspritze für Herz-Kreislauf-Risiken ++ Reha Tschugg mit neuer Privatstation ++ Reha Bellikon eröffnet Neubau ++ Neues Brustzentrum im Bernbiet ++ So sieht das neue Spital fürs Tessin aus ++

image

Krebsliga will keine Geheimpreise mehr bei Medikamenten

Ausgerechnet die Krebsliga ist dagegen: Der Bundesrat soll künftig keine vertraulichen Rabatte mehr mit der Pharmaindustrie vereinbaren.

image

Fencheltee im Visier von Swissmedic

Das Heilmittelinstitut rät Schwangeren, Säuglingen und Kindern unter 4 Jahren von einer Einnahme ab. Das in Fencheltee enthaltene Estragol könnte die Gesundheit schädigen.

image

Viele neue Krebs-Medikamente haben wenig Nutzen

Besonders enttäuschend erscheinen dabei die Wirkstoffe, die in Europa nach einem beschleunigten Verfahren zugelassen wurden.

image

Schneller gegen Schlaganfall: KSA und ETH entwickeln magnetischen OP-Roboter

Mit der neuen Technologie soll das Eingriffs-Tempo deutlich erhöht werden.

image

Der Preisüberwacher fordert tiefere Spitaltarife und offenere Grenzen

Stefan Meierhans präsentiert acht Vorschläge für ein günstigeres Gesundheitswesen.

Vom gleichen Autor

image

Viktor 2023: Ein Pflegefachmann macht Hoffnung als Politiker

Patrick Hässig war 18 Jahre Radiomoderator, dann ging er erst in die Pflege – und dann in den Nationalrat. Nun erhielt er den «Viktor» als beliebtester Gesundheitspolitiker.

image

Traditioneller Medinside Frühstücksevent

Verpassen Sie nicht unseren traditionellen Frühstücksevent 25. Oktober 2023 in Zürich. Dieses Jahr mit spannenden Themen und Referenten.

image

Viktor 2022: Nominieren Sie jetzt!

Würdigen Sie aussergewöhnliche Leistungen im Gesundheitswesen 2022 und nominieren Sie bis Ende Januar Ihren persönlichen Favoriten.