Krankenkassen-Chef: «Ich verdiene fast unverschämt viel»

Die Krankenkasse, die mit den tiefsten Verwaltungskosten brilliert hat – wen wundert’s – auch den bescheidensten Chef.

, 22. Februar 2023 um 06:40
image
Der Sitz der Krankenkasse Luzerner Hinterland in Zell LU. | Google
Für Werbung gibt sie 10'000 Franken im Jahr aus, dem Chef bezahlt sie 170'000 Franken: So geschäftet die Krankenkasse, welche die tiefsten Verwaltungskosten pro Mitglied hat. Es ist die kleine Krankenkasse Luzerner Hinterland (KKLH). 104 Franken pro versicherte Person und Jahr gab sie bei der letzten Erhebung aus. Zum Vergleich: Die KPT, eine der Kassen mit hohem Aufwand, braucht mehr als das Dreifache, nämlich 327 Franken.

Nur 10'000 Franken für Werbung

Dies, obwohl grössere Kassen in der Regel geringere Verwaltungskosten haben, weil sie diese auf mehr Versicherte verteilen können. Wie macht die KKLH das, damit sie so sparsam mit dem Geld der Versicherten umgehen kann?
In der Zeitschrift «K-Geld» äusserte der Chef, Bruno Peter, seine Vermutungen: «Viele Krankenkassen machen in grossem Stil Werbung. Das kostet viel Geld. Wir unterstützen lediglich ein paar Vereine in der Region und haben regelmässig ein Inserat in der Zeitung ‹Willisauer Bote›. Für Werbung inklusive Provisionen zahlen wir etwa 10'000 Franken pro Jahr.»

Heuer fast zu viele Neukunden

Ein zweiter Grund: In der KKLH gibt es nur Generalisten, das heisst, alle machen alles. Auch der Chef.
Der dritte Punkt betrifft die Kunden: Viele Versicherte wohnen auf dem Land und verursachen in der Regel weniger Kosten als solche aus städtischen Gebieten. Anfang Jahr erhielt die KKLH allerdings fast 4000 Neukunden, weil sie derzeit die günstigste Kasse im Kanton Luzern ist. Damit stösst die kleine Kasse an ihre Grenzen. Mehr Neukunden pro Jahr möchte Bruno Peter lieber nicht.

Ein unverschämt hoher Lohn?

Der letzte Punkt ist der Chef-Lohn. Bruno Peter findet: «Er ist fast unverschämt hoch: 170’000 Franken pro Jahr.» Bis vor kurzem verdiente er noch 130’000 Franken, der Vorstand habe den Lohn dann stetig erhöht. Bruno Peter sagt, er selbst habe nie nach einer Lohnerhöhung gefragt.
Und so unverschämt hoch ist der Lohn auch nicht. Medinside hat vergangenes Jahr die Rangliste der Cheflöhne einiger Krankenkassen veröffentlicht.

Lohndeckel bei einer Viertelmillion

Dabei kam unter anderem heraus: Philomena Colatrella verdient bei der CSS rund 800'000 Franken, der Sanitas-Chef Andreas Schönenberger sogar 955'000 Franken. Diese Löhne stossen bei Versicherten, aber auch bei Politikern immer mehr auf Unverständnis. Die Sozialkommission des Nationalrats will deshalb einen Lohndeckel für die Geschäftsleitung in der Grundversicherung der Krankenkassen von 250'000 Franken festlegen. Der Grund: Exorbitante Management-Löhne seien angesichts der explodierenden Gesundheitskosten nicht zu rechtfertigen.
Der Widerstand aus der Branche ist bereits gewiss: «Für 250'000 Franken findet man keine geeigneten Leute für die Spitzenposition bei einer grossen Krankenkasse», sagt Lorenz Hess, Verwaltungsratspräsident der Berner Krankenkasse Visana und BDP-Nationalrat: «250'000 Franken entspricht einem Lohnniveau, welches deutlich unter demjenigen von Geschäftsleitungsmitgliedern in der Privatassekuranz liegt.»
  • versicherer
  • lohn
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ob FaGe, Apotheker, Physio oder Chefärztin: Das verdient man im Gesundheitswesen

Wie steht es um Ihr Gehalt? Hier finden Sie die Standard-Monatslöhne der wichtigsten Berufe in der Gesundheitsbranche.

image

Curafutura: Marco Romano folgt auf Sandra Laubscher

Der ehemalige Mitte-Nationalrat wird Leiter Gesundheitspolitik und Mitglied der Geschäftsleitung.

image

Versicherer bietet allen Kunden Gen-Tests an

Beim US-Konzern Mass Mutual können alle Versicherten zwischen 35 und 70 ihr genetisches Risiko für acht Erkrankungen prüfen lassen.

image

Das verdienen die Ärzte an deutschen Universitäts-Spitälern

In Deutschland einigten sich Unikliniken und Mediziner auf eine Lohnerhöhung um 10 Prozent – sowie auf eine Senkung der Arbeitszeit auf 40 Stunden.

image

Assura gibt ihr Vorschuss-System auf

Die Krankenversicherung Assura bezahlt Arzt- und Apothekenrechnungen künftig direkt. Versicherte müssen das Geld nicht mehr vorschiessen.

image

Thomas Boyer und die vier Hauptprobleme im Gesundheitswesen

Der Chef der Groupe Mutuel prüft den Austritt aus dem Kassenverband Santésuisse.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Notfall des See-Spitals war stark ausgelastet

Die Schliessung des Spitals in Kilchberg zeigt Wirkung: Nun hat das Spital in Horgen mehr Patienten, macht aber doch ein Defizit.