Deutschland verliert seine Hausärzte – ein Blick über die Grenze

Ein Viertel der deutschen Hausärzte plant den Berufsausstieg in den nächsten Jahren. Hauptgründe: zu viel Arbeitszeit, zu wenig Zeit für Patienten, zu viel Bürokratie. Eine Umfrage zeigt nun Wege aus der Krise.

, 15. Juni 2025 um 22:07
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KI-Bild: Medinside
In Deutschland dürfte sich die «Ärzte-Not» bald massiv verschärfen: Denn etwa ein Viertel der heute tätigen Hausärzte plant, in den nächsten fünf Jahren den weissen Kittel an den Nagel zu hängen. Gleichzeitig wollen viele ihre Wochenarbeitszeit senken: Im mathematischen Durchschnitt planen die deutschen Hausärzte einen Abbau von zweieinhalb Arbeitsstunden pro Woche.
Dies besagt eine grosse Erhebung, welche die Bertelsmann Stiftung und die Universität Marburg nun veröffentlicht haben. Dabei befragten sie 3'700 repräsentativ augewählte Hausärztinnen und -ärzte im ganzen Land.
  • Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Nicolas Frenzel Baudisch, Jacob Steinwede, Moritz Fahrenholz (Infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft): «Befragung: Wie wollen Hausärztinnen und -ärzte zukünftig arbeiten?», Juni 2025.
Das Problem kommt einem bekannt vor: Auch hierzulande gibt es Schätzungen, wonach bis zu 4'000 Hausarztpositionen offen sind; und auch hier verraten Umfragen eine hohe Bereitschaft zum Ausstieg in der Branche. Die Idee, Hausärzte als Kern einer integrierten Versorgung einzusetzen oder weitere ambulante Aufgaben in die Praxen zu verlagern – diese Idee steht auch aus diesen Gründen auf dünnem Eis.
Bemerkenswert sind daher andere Antworten aus der neuen deutschen Ärztebefragung: Die Mehrheit jener, die ihre hausärztliche Tätigkeit beenden wollen, würde unter bestimmten Bedingungen im Beruf bleiben. Die am häufigsten genannte Voraussetzung dafür: weniger Bürokratie. Häufig genannt wird zudem der Wunsch, allgemein weniger und/oder flexibler arbeiten zu können. Dabei sind die befragten Mediziner im Schnitt an 44 Stunden pro Woche eingespannt.
Und so verweist die Erhebung gleich auf einen Lösungsweg: mehr Zeit für und mit den Patienten, weniger Bürokratie.
«Wichtig wird sein, wie viel Zeit dem Hausarzt und der Hausärztin effektiv für die Arbeit am Patienten zur Verfügung steht», sagt Bertelsmann-Stiftungsdirektor und Co-Autor Uwe Schwenk: «Hier gilt es, bislang ungenutzte Potenziale zu heben.»
Laut der Befragung wenden die Hausärzte derzeit 80 Prozent ihrer Arbeitszeit für Sprechstunden und Hausbesuche auf. Den Rest verbringen sie mit Verwaltungsaufgaben, Fortbildungen und sonstigen Tätigkeiten.
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Grafik: aus d. zitierten Studie.
Folglich diskutiert die Untersuchung ebenfalls die Möglichkeiten, die Ärzte digital zu entlasten – beim Terminmanagement, Befundaustausch, bei Behandlungsabläufen. Die Umfrage verweist allerdings gleichzeitig auf ein grosses Hindernis: 25 Prozent der Befragten berichten, dass Software-Probleme die Praxisabläufe ein- oder mehrmals am Tag beeinträchtigen. Das ist ein bemerkenswert hoher Anteil.
Was also tun? Immerhin sieben von zehn befragten Hausärzten sehen ein grosses Entlastungspotenzial: Es liege darin, mehr Aufgaben auf andere, nichtärztliche Berufsgruppen im Gesundheitswesen zu übertragen – etwa auf speziell ausgebildete medizinische Fachangestellte oder Pflegekräfte.
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