Tardoc: Dem Ziel «ein gutes Stück näher»

Dass der Bundesrat bei den ambulanten Tarifen aufs Tempo drückt, findet breite Zustimmung in der Branche.

, 19. Juni 2024 um 14:51
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«Übernimmt Verantwortung»: Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider vor den Medien in Bern, 19. Juni 2024. | Bild: Screenshot admin.ch
Wann soll die alte Tarifstruktur abgelöst werden? Und vor allem: Wie genau? Diverse Organisationen und Standesvertreterinnen hatten in den letzten Tagen nochmals die Trommel gerührt, damit der Bundesrat rasch entscheide.
Mit dem Tardoc könnten mindestens 600 Millionen Franken eingespart werden, rechnete beispielsweise der Kassenverband Curafutura vor. Nur eine gemeinsame Einführung von Tardoc und ambulanten Pauschalen könne Fehlanreize beseitigen, betonten andererseits Verena Nold von Santésuisse und Anne-Geneviève Bütikofer vom Spitalverband Hplus.
Nun ist der Entscheid da. Man merkt ihm an, dass der Bundesrat erstens keine Zeit mehr verlieren will – und dass er sich, zweitens, einmal mehr um einen gutschweizerischen Kompromiss bemühte.
Denn er bewilligte Tardoc wie auch die Pauschalen – im Grundsatz. Aber er forderte, dass sich Kassen, Spitäler und Ärzte nochmals zusammensetzen und zusammenraufen, um insbesondere die Kostenneutralität zu gewährleisten. Und dies, bitte schön, rasch. Damit die neuen Tarifsysteme Anfang 2026 starten können.
  • Mehr: Der Tardoc soll in 18 Monaten in Kraft sein. Zugleich genehmigte der Bundesrat die Einführung der ambulanten Pauschalen – im Grundsatz.
Erwartungsgemäss positiv fällt die Reaktion der Gesundheitsdirektoren-Konferenz GDK aus: Das Kantons-Gremium begrüsst, dass das Ende des alten Tarmed nun «ein gutes Stück näher rückt»; und es fordert die Tarifpartner auf, «für die nun noch ausstehenden letzten Schritte konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ziel muss ein kohärentes Tarifsystem sein».
Auch Hplus und Santésuisse begrüssen in einer gemeinsamen Stellungnahme den Grundsatzentscheid aus Bern. Die beiden Organisationen hatten eifrig für eine gemeinsame Einführung der Pauschalen geweibelt. Und so äussern sie nun auch ein gewisses Bedauern darüber, «dass lediglich ein Teil der zur Genehmigung eingereichten Pauschalen zeitnah implementiert wird.» Man wolle sich nun aber partnerschaftlich an einer möglichst reibungslosen Einführung mitarbeiten.
Denn immerhin sei das Potential gross, dereinst weitere Pauschalen zu etablieren.
«Schon bald wird die Schweiz über ein einheitlich aufgebautes Tarifsystem verfügen, unabhängig davon, ob jemand im Spital übernachtet oder nicht», sagt Santésuisse-Direktorin Verena Nold.
Auch der andere Kassenverband, Curafutura, gab sich in einem gemeinsamen Communiqué mit FMH und MTK positiv: Die Ablösung des alten Tarmed sei zu begrüssen. Wichtig bleibe dabei, dass die vom Bundesrat verlangte zeitgleiche Einführung von Pauschalen «unter keinen Umständen» die Tardoc-Einführung per Anfang Januar 2026 gefährden dürfe.
Durch seine Forderung nach raschen Anpassungen übernehme der Bundesrat Verantwortung – «auch in Bezug auf die Realisierbarkeit seiner Forderungen unter den gegebenen Bedingungen.»
Doch auch Curafutura, FMH und MTK geben sich sportlich: Man werde «im Rahmen des engen vorgegebenen Zeitplans die Arbeiten umgehend in Angriff nehmen, die zur Inkraftsetzung des neuen ambulanten Tarifs TARDOC und Pauschalen nötig sind, um am 1. Januar 2026 damit zu starten.»
Eher zurückhaltend zeigt sich indes der Haus- und Kinderärzte-Verband MFE: Einerseits sei die Ablösung von Tarmed ein «wichtiges Signal an den Nachwuchs und ein Zeichen zur Stärkung der Hausarzt- und Kindermedizin», so die Stellungnahme. Die Koppelung von Tardoc und ambulanten Pauschalen bereite allerdings Sorgen – insbesondere dass das Resultat zum Nachteil der Haus- und Kinderärzte gereiche.
«Wir werden keine Kollateralschäden akzeptieren, wenn im Rahmen von Kostenneutralität oder Datenmonitoring-Konzepten Anpassungen vorgenommen werden, die uns Haus- und Kinderärzt:innen benachteiligen», sagt MFE-Co-Präsidentin Monika Reber.
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