Jackie Baker leidet an der degenerativen Nervensystem-Erkrankung ALS. Die 59-jährige Frau aus Wales ist zunehmend abhängig und in allen Bewegungen eingeschränkt. Sie möchte sterben.
Ihr Wunsch: «dying with dignity». Und da Beihilfe zum Suizid in Grossbritannien mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft wird, sucht sie den begleiteten Freitod bei Dignitas in der Schweiz.
Das Problem: Die Sache ist teuer, zu teuer für Jackie Baker. Deshalb machen ihre beiden Töchter jetzt mit einer etwas makabren Geldbeschaffungs-Idee von sich reden: Rose Baker und Tara O'Reilly organisieren einen recht fröhlich angelegten «Fundraising Event», welcher die 8'000 Pfund beschaffen soll, die für die finale Schweiz-Reise benötigt werden; also umgerechnet knapp 12'000 Franken.
Halbnackte Kellner und ein kaltes Buffet
Die Sache soll keinesweg trist werden: Die Töchter organisierten einen so genannten «Girls Bash», wie man das auf der Insel nennt, also einen üblicherweise eher schrillen «Ladies Only Evening». Eine Boulevard-Zeitung betitelte den Bericht über die Pläne trocken mit dem Wort
Dignibash.Die Veranstaltung, mit bunten Plakaten öffentlich ausgeschrieben, steigt in einem
Nachtclub in der Ortschaft Llanelli. Zum Eintrittspreis von 15 Pfund versprechen die Schwestern halbnackte Kellner, eine Drag-Show sowie ein kaltes Buffet, und gewiss können die Gäste auch damit rechnen, dass landesübliche Mengen an Alkohol ausgeschenkt werden.
«Wir müssen das Problem öffentlich machen»
«Es ist wirklich hart zu sagen, dass wir auf diese Weise Geld beschaffen, um unsere Mutter zum Sterben in die Schweiz zu bringen», sagte Tochter Tara O'Reilly gegenüber
«The Telegraph». «Aber wir müssen das Problem auch öffentlich zur Kenntnis bringen.»
Die Aktion habe durchaus auch den Sinn, Aufmerksamkeit für die Krankheit ALS und für die schwierige Lage todkranker Menschen in Grossbritannien zu schaffen.
Per Crowdfunding zu Ludwig A. Minelli
Um die Reisekosten zu Ludwig A. Minellis Dignitas respektive die dort anfallenden Rechnungen aufzutreiben, lassen sich einzelne Briten mittlerweile einiges einfallen.
Vor wenigen Wochen erst startete ein Krebspatient zum Beispiel eine Suizid-Crowdfunding-Kampagne unter dem Titel «My Dignitas Fund».
Roger Bailey, so der Name des Mannes, wollte über Englands grösstes Online-Finanzierungsportal
Crowdfunder UK mindestens 30'000 Pfund für die letzte Reise in die Schweiz einsammeln, also gut 43'000 Franken. Wer wollte, konnte Tranchen von 10 oder 20 oder 50 Pfund spenden.
Womit Roger Bailey notabene die Kostenseite der helvetischen Sterbehilfe wieder einmal drastisch ans Licht brachte.
Ein Argument, mit dem der schwerkranke Mann in der Ausschreibung die Spender motivierte: Das britische Gesundheitssystem NHS könnte auf diese Weise eine weitaus grössere Summe einsparen. «Ich glaube, dass die begrenzten Mittel des NHS besser eingesetzt sind bei Menschen, die noch eine Aussicht auf Heilung haben.»
Die Sache war doch zu brisant
Bei beiden Aktionen können heikle Fragen an einem jeweils konkreten Beispiel debattiert werden. Zum Beispiel: Falls aktive Sterbehilfe okay ist – darf man dann auch einem anderen den Tod via Paypal spendieren? Ist ein Partybesuch der passende Beitrag zur Lösung? Und beginnt nicht gerade mit Spartipps zuhanden des Gesundheitssystems die Euthanasie?
Die Resonanz hielt sich bei der Kampagne auf Crowdfunder UK allerdings in Grenzen. In den ersten vier Tagen wurden gerade mal 120 der benötigten 30'000 Pfund gesprochen. Danach brach Crowdfunder UK die Sache ab und nahm Mr. Baileys «My Dignitas Fund» vom Netz. Der Grund: Die Spender wie auch die Plattform selber setzen sich einem strafrechtlichen Risiko aus.
Das wissen Rose Baker und Tara O'Reilly auch. Sie wagen die Party an diesem Wochenende trotzdem.
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